Flüchtlinge, Ehrenamt und Deutschunterricht als musikalische Selbsterfahrungsgruppe. Dank an das DRK Rhein Neckar. Neutrales Survival Training für seelisch Ertrinkende.

Heute grosse Enttäuschung: alle sind pünktlich erschienen. Michael Schneider kommt 10.02, ergo: zu spät.
Die Enttäuschung geht weiter: Nur zwei junge Männer der alten Besetzung sind dabei, keine Frau, also gemeint ist F….., die – auch – musikalische Seele der letzten Wochen.
Name, Land und Sprache stehen bald an der Tafel.
Dann das Alphabet, dargestellt anhand von Nahrungsmitteln.
Es wird auch fleissig genuschelt.
Heute keine Musik. Nein, heute ist grosse Oper angesagt. Wir singen die Nahrungsmittel, mal rhythmisch als Rap, dann als grosse Oper mit noch grösseren Gesten. Michael Schneider animiert die sich blamierenden Neulinge, die das sehr und noch mehr zu geniessen. Die lassen sich tatsächlich nicht lumpen und machen mit, gehen über sich hinaus und merken: das bin ich doch tatsächlich und es gefällt mir.
Annette, meine Mittwoch-Partnerin im Deutschunterricht wird plötzlich sehr musikalisch, tanzt und singt das Nahrungsmittelalphabet.
Haben wir die nuschelnden Afrikaner überrumpelt ? Sind wir ihnen bei ihren geheimsten Wünschen begegnet ? Oder in ihrer freien unbeschwerten Vergangenheit ?
Heute wurde meine manchmal weinende Seele wieder auf eine ganz besondere Weise mit dem Unabänderlichen unserer grossen Politik versöhnt.
( Michael Schneider sollte Bundeskanzler werden, er würde zwei Millionen und mehr Flüchtlinge nach Deutschland einschleusen ).
Wo ist die Versöhnung ?
Die liegt heute in Deutschland. Annette lebt in Deutschland und entwickelt mit mir eine wunderbare Synergie: Ich lerne hilfreich zu assistieren, wenn Bilder zu unbekannten Begriffen gegoogelt werden müssen. Und Annette hat die Musik entdeckt, fängt an zu tanzen, rappt und wird zur grossen ungehemmten Operndiva.
Wieder überraschte aber strahlende Gesichter. Ungläubiges: Es ist doch wahr was hier gerade geschieht.
Mit den Worten meiner sieben Kinder: „ Geile Nummer „ !
So wie inzwischen jeden Mittwoch.
Wir beide wissen und leben es: Pack sie beim Kragen, lass sie nicht los. Will etwas von ihnen !
Ich sitze im Auto, schleiche durch das PHV und sehe wieder strahlende Gesichter, winkendes Strahlen aus Afrika.
Gambia, Somalia, Kamerun, Guinea und Nigeria.
Die so wunderbare Zusammenarbeit mit Helfern, die “ gemeinsam „ in den Vordergrund stellen ist eine gute Medizin gegen den permanenten Abschied seit ich mich um Begrüssung bemühe.
Übrigens und Nota Bene: Nigeria will in den HipHop Kurs einer Tanzschule. Ihn habe ich gleich an beide möglichen Orte geführt und mit ihm klargemacht, dass der dort auch ankommt und mitmacht. Damit verbunden wird auch eine Patenschaft, die unsere Bundeskanzlerin gespendet hat.
Das war also ein super toller Tag zum Lachen.
Dann ertrage ich auch die kommenden Tränen für ein „ Nimmerwiedersehen“.

Der Profi zu Besuch. Musikunterricht als perfektes Medium für schnelles Deutschlernen. Klare Aussprache inbegriffen.

Musik ist Melodie und Rhythmus.
Sprache ist Text – denkt man.
Sprache ist Melodie und lebt wie die Musik von Akzenten, Sprachmelodie und besonders von Pausen.
Das Verstehen dieser Bausteine erschliesst sich den Sprachschülern aus Gambia, Somalia, Eritrea und Guinea sobald sie die Melodie können. Dann fühlen sie geradezu, dass die Sprache rhythmisch dazu passen muss.
Michael Schneider klopft den Beat dazu, die ganze Gruppe lernt so, sich einem gemeinsamen – zunächst: Tempo – dann Rhythmus anzuschliessen.
Bei allem ist wichtig: sei hemmungslos. Sprich falsch aber laut. Blamier dich, zeige allen dass du es noch nicht kannst. Nur so können die Lehrer das vereinte Afrika verbessern und noch wichtiger: niemand übt stumm auf seinem Instrument.
Hier im Patrick Henry Village wird der Körper zum Instrument.
Gleichzeitig lernen alle, den anderen zu respektieren und bewusst wahrzunehmen: alle hören gemeinsam zu.
Alle stehen unter wohlwollender Kontrolle, abschweifen oder handyarbeiten: No Go.
Ist jetzt jemand beleidigt oder fühlt sich unterdrückt?
Ich fürchte nein. Alle schweben mit Handküssen davon.
Und : Alle fünf Strophen von “ Grün grün grün ….. “ können sie klar und deutlich sprechen und singen.
Lerndauer: 60 Minuten.
Wären wir Deutschen im umgekehrten Fall auch so fit ?

Wenn es das schon gibt, dann habe ich es gerade neu erfunden. Es war mir nicht bekannt.
Ein Beweis dafür, dass, was einmal auf der Welt gedacht wurde nicht mehr wegzudenken ist.
Meine Betreuerin vom DRK war heute dabei und schrieb mir nach dem Unterricht: „ Es war richtig toll. Man merkt richtig, wie sich die Bewohner darüber freuen mit euch Musikunterricht zu machen „.
Wann der nächste Abschied kommt, für Flüchtlinge wie Ehrenamtliche – wir alle wissen es nicht. Aber diese lückenlose Nähe und die abschiedlichen Handküsse sind Balsam für die Seele. Wir, die Ehrenamtlichen können nur hoffen dass alle „ unsere „ sich so lustvoll Blamierenden in ihrem möglichen Elend an „ Trari Trara „ und „ Grün grün grün „ erinnern, daran, dass es in diesem fremdenfeindlichen Europa auch andere gibt.
Die nächste Träne ist leider schon nah, sehr nah. Seit einem Jahr schliesse ich Menschen und ihre Schicksale in mein Herz.
Und was machen die Flüchtlinge ? Sie lieben uns, Annette und Michael Schneider an jedem Mittwoch wegen Hingabe, so als könnten wir es vollenden. Eine Illusion, eine Schimäre angesichts AFD, CSU und Donald Trump.

Einrede für eine musikalisch-linguale Hungerhilfe für Flüchtlinge im Deutschunterricht. Sprache als rhythmisch konstruktives Element zum schnellen Lernen.

Hungerhilfe – musikalisch-lingual ? Hat hier jemand Hunger ? Sicher. Da kann Michael Schneider nicht helfen. Aber in Heidelberg im PHV begegnet mir in den Flüchtlingen ein anderer Hunger. Nach Sprache, nach guter deutscher Sprache.
Mein Vater war Lehrer, von Natur aus, er musste das nicht lernen. Doch, schon, aber nur für den Schein, nicht für das Können.
Er konnte es. In der Dorfschule in Hittbergen hatte er fünf Klassen vor sich in einem Raum. Die konnte er alle gleichzeitig beschäftigen. Dann kam das Einmaleins. Bis zwanzig – rauf und runter. Bis es alle, auch der Letzte und der Langsamste auswendig konnten. Da stand er vor der Klasse, einen Wanderstock in der Hand und klopfte den Rhythmus. Das ging immer wieder und so lange, bis alle von 1 bis 20 rauf und runter den gleichen Rhythmus im Aufsagen hatten.
Bis zu seinem Tod haben sich viele seiner Schüler immer wieder für seinen Unterricht bedankt, besonders für das Rechnen. Damals durfte in Geschäften noch weiter kassiert werden, wenn der Strom mal ausfiel !!!
Wie kam ich zur Musik ?
Mein Vater machte Musikunterricht mit seinen fünf Klassen. Orff-mässig: viele Trommeln, Perkussion. Jetzt lassen wir die Sau raus haben sich damals wohl viele Schüler gedacht. Michael Schneider denkt gar nichts und trommelt einen konstanten Rhythmus. Das war die Entdeckung meines Himmels: die Musik.
Ich übersetze: der macht gar nichts ausser Rhythmus.
So wurde ich dann auch der “ Rhythmus Knecht “ in vielen Jazzbands sowie der Chef-Knecht im Philharmonischen Orchester Heidelberg.

Die Entdeckung, dass eine junge Frau aus Somalia nach einer Woche ein Lied mit perfekter Aussprache fliessend und klar singen konnte, die hat mich schier umgehauen. Sie ist sicher noch schneller als andere Flüchtlinge. Aber dieser eklatante Gegensatz vom stochernden Lesen und absoluter Klarheit nach einer Woche: das schenkt mir Nachdenken.
Mit Musik und Sprache gelang es mir, zehn Jugendliche zwei Stunden am Ball zu halten, so als hätte jeder der Spieler beim Fussball permanent seinen eigenen Ball zu bedienen.

Ich denke darüber nach, was und wie das ist.
So wie mein Vater mit dem rhythmisch geschlagenen Stock vierzig Schüler alle bei der Stange halten konnte, so schaffen Lieder mit ihrem Sprachrhythmus und mein zyklisches Zugehen auf jeden Teilnehmer eine aktive Wachheit aller.
Meine Sicht auf die letzten beiden Wochen: So, wie das Gruppen-Aufsagen alle einbindet und beschäftigt, so erzeugt das gemeinsame Singen und Aufsagen von Texten im Wechsel mit individueller Darbietung einen kollektiven Aktivitätsmodus, dem sich keiner entziehen kann. Ich lasse dabei auch niemanden entwischen. Jedes Privatgespräch wird von mir kommentiert: die anderen reden nicht für sich, sie tun das für dich.

Vielleicht liegt es an der momentanen Zusammensetzung der Gruppe ?
Davon und darüber werde ich Interessierten weiter berichten.

Der Profi zu Besuch im PHV bei den Flüchtlingen. Heute als Logopäde oder sogar als Professor ?

Heute fragt mich ein Security Mann ob ich Logopäde, Sprachlehrer oder Professor sei. So viele Berufe auf einmal für mich ?
Er kontrolliert die Berechtigungsscheine der teilnehmenden Flüchtlinge und lässt die Tür zum Unterrichtsraum offen. Er geniesst den Gratis-Deutschunterricht, ist Algerier der perfekt Italienisch spricht.
Annette, meine Partnerin im Mittwoch Kurs gibt mir sofort die Erklärung: Wer singt, der achtet mehr auf Aussprache.
Das stimmt. Seit Jahrhunderten gibt es Oper. Seit Monteverdi also hatten die Sänger Zeit, deutliche Aussprache zu üben. In dem kleinen Zeitfenster von 35 Jahren den ich opernmässig miterleben durfte, ging es immer noch um dieses Thema.
Nichts dazu gelernt ?
Keineswegs, Oper ist sui generis nicht verständlich. Am besten vorher die Handlung genau studieren. Wer es noch genauer wissen will: Textheft mitnehmen.
Das trifft auf Flüchtlinge alles nicht zu. Was sie mir irgendwann einmal erzählen wollen, das müssen sie laut und deutlich vortragen können.
Also 1. Mut zum Mitmachen. Mund auf und begeistert die Fehler rauslassen. Nur so kann der schwerhörige Lehrer Fehler in der Aussprache entdecken und verbessern.
Dann 2. ist der Sprachrhythmus für das Verstehen sehr wichtig.
Heute am Ende greift Michael Schneider noch einmal zur Gitarre und Somalia und Gambia singen alle drei Strophen vom Lied der letzten Woche mit einwandfreier, nennen wir es: perfekter Aussprache. Somalia weiß sogar besser Bescheid als Michael Schneider, der bringt die Reihenfolge der Strophen durcheinander.
“ Traritrara ….. „.
Immer wieder: alle gemeinsam und laut, dann wieder einzeln. Konzentration bitte, Somalia liest gerade für euch. Schüchternheit wird mit provokativer Begeisterung der Lehrer in Mut verwandelt.

Heute hat Michael Schneider einen Anschlag geplant:
Der Kopierer vervielfältigte den spontanen Einfall: Wilhelm Busch’s Gedicht „ Es sitzt ein Vogel auf dem Leim ….. „ muss jetzt herhalten für das Auswendiglernen. Wenn diese Gruppe noch einige Wochen zusammen bleibt, dann können alle in Deutschland, Somalia, Gambia oder wo es sie hin verschlägt ein deutsches Gedicht aufsagen und ein deutsches Lied mit allen drei Strophen trällern.

Ich habe vor Jahren während einer Fahrrad Tour durch das Peloponnes einen Griechen getroffen, der sagte mir zur Begrüssung erst einmal ein Gedicht von Goethe auf. Vielleicht reist mal ein Deutscher durch Gambia oder Somalia und hört dort ein Deutsches Gedicht und wenn er Glück hat, dann sogar das von Wilhelm Busch.

Was hat dem Security Mann so gefallen?
Das Problem, dass wir Dach mit „ ch „ aussprechen, der Dachs klingt phonetisch aber wie „ k „.
Das Chamäleon ist phonetisch aber ein „ Ka – mäleon „

Michael Schneider hat heute zum ersten mal in seinem Leben gedacht, dass er etwas kann – ohne es gelernt zu haben.
Doch, er kann noch etwas, er bittet zum Abschluss wieder zum Händchenhalten im Kreis.
Wie in dem Gedicht von Wilhelm Busch sieht er in Augen und die sind „ gluh „ die leuchten vom Feuer der momentanen Lebens- und, so das Regierungspräsidium es will auch der Wiedersehensfreude.

Sie haben bis hierher durchgehalten ? Dann lesen Sie hier noch das Gedicht im Wortlaut:

Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim. 
Ein schwarzer Kater schleicht herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
 Am Baum hinauf und immer höher
 kommt er dem armen Vogel näher. Der Vogel denkt: Weil das so ist, und weil mich doch der Kater frisst,
 so will ich keine Zeit verlieren,
 will noch ein wenig quinquilieren
 und lustig pfeifen wie zuvor.
 Der Vogel, scheint mir, hat Humor.

Flüchtlingshilfe einmal luftig und leicht. Deutschunterricht mit Musik. Sprache durch Strophen lernen. Der Profi zu Besuch im PHV Heidelberg.

Viele Jahre hat Michael Schneider seinen Kindern Lieder zum Einschlafen gesungen. Einfache Kinderlieder von Hans Spielmann. Und da war ein Wecklied: “ Wer nur den lieben langen Tag ohne Plag ohne Arbeit vertändelt ……… “ ( Merken Sie sich das Wort “ vertändelt „, es wird in der Folge eine wichtige Rolle spielen ). Das Lied stammt von Professor Jens Rohwer.
An das Wecklied haben sich meine Kinder, so gegen Ende ihrer Pubertät, plötzlich wieder erinnert und wollen es immer mal wieder hören.
Ebenso steht ein wunderbares Kinderlied von Hans Spielmann immer noch auf Platz eins der Erinnerung: “ Der Eber sagt zu seiner Frau………. „
Nach einem Jahr mit den Djemben-Gambianern in Sinsheim bringe ich meine Musik zu den UMA’s im PHV Heidelberg.
Bis letzte Woche ging es um Deutschunterricht in zwei Etappen: Deutsch und Musik.
Diese Woche waren aber keine Deutschleherinnen dabei. Michael Schneider war der Lehrer, assistiert von Marlene, einer jungen Praktikantin.
Die Vorahnung dieser Situation brachte meine Gitarre mit und ein Sommer Liederbuch aus einem Walldorf Kindergarten.
Michael Schneider denkt: jetzt will ich es wissen. Wir lernen Deutsch mit “ Trarira, der Sommer der ist da“.
Ergo: Text an die Tafel geschrieben – alle schreiben den Text ab. Wir üben die Aussprache. Alle zusammen, laut und gerne falsch, aber gemeinsam. Das verstehen sie gut. Animation für Mut kommt von vorne, vom Lehrer. Jetzt die Melodie, das geht ruckzuck. Kinderlieder und einfache Melodien gibt es auf der ganzen Welt, in Syrien, Gambia, Somalia, Afghanistan. Strahlende Gesichter. Immer wieder muss jeder, jede einzelne sich vor den anderen “ blamieren „. Das tun sie natürlich nicht, es geht um den Mut sich darauf einzulassen. Alle Variationen nähern sie an den Mut und die Lust, gemeinsam durch Musik und Sprache die Leichtigkeit der Lust an etwas Neuem zu erfahren.

Der Refrain: “ Trarira……. “ kommt vor und nach jeder Strophe. Gemeinsam – inzwischen perfekt und deutlich – alle den Refrain. Einzeln darf ( muss ? ) jeder und jede sich vor der Tafel um einen ad hoc neuen Text auf Deutsch lesend um Aussprache und Sprachrhythmus bemühen.
In diesem Zusammenhang ersetze ich jetzt das Wort “ vertändelt “ durch einige Worte aus den Strophen: gekommen, zerronnen, Hecke, necken.
Michael Schneider hat immer noch Probleme, sich die Namen der vielen und wechselnden Menschen zu merken. Aber diese jungen Pubertisten sollen sich die eben genannten Worte merken und auch noch verstehen ?
Michael Schneider ist begeistert:
Zwischenbemerkung um 11.30 Uhr: Wollen wir noch Musik machen? Nein, weiter Deutschunterricht entscheidet eine junge Frau aus Somalia, alle stimmen zu. Gut, jetzt das Alphabet. Zu jedem Buchstaben sollen sie Begriffe mit dem entsprechenden Anfangsbuchstaben finden.
G? Gekommen – sagt jemand.
H? Hecke ein anderer.
N? Necken…….
Z ? Aber hallo, Sie ahnen es: da kommt tatsächlich das Wort : zerronnen.
Bei S ist erst mal Schweigen. Jetzt macht Michael Schneider auch mit: Somalia.
Das war ein Vormittag der hat mich mit der grossen Politik versöhnt. Dabei weiss ich: das nächste Jammertal in der Nähe der Tränen wartet schon vor der Tür. Sie alle werden demnächst/irgendwann verteilt an andere Orte. Drei Wochen – eine annähernd konstante Gruppe – schafft schon viele Glückshormone auf beiden Seiten, Vertrauen entsteht. Wie in einem Zeitraffer wird allen hier das Ephemère des Lebens vor die Gefühle geführt. Aber wir alle leben, ich sah nur strahlende Gesichter und Gefühle.
Ein Suchtfaktor zum Schluss: Am Ende des Vormittags bilden wir einen Kreis, bedanken uns für uns und das Geschenk der gemeinsamen Zeit.
Der Dank für das “ Fliegende Klassenzimmer “ des DRK Rhein Neckar geht an alle die sich diesen “ ewigen “ Trennungsschmerz so lustvoll antun.

Trarira, der Sommer der ist da!
Wir woll’n hinaus in Garten und woll’n des Sommers warten!
Wir woll’n hinter die Hecken und woll’n den Sommer wecken!
Der Winter ist zerronnen, der Sommer hat begonnen!

Einrede für mehr Ehrlichkeit, weniger Mauern, besonders in uns. Das reichste Land der Welt grenzt aus. Die UMA’s kommen nicht mehr bei uns an. Flüchtlingshilfe ?

Eine Freundin postete dies auf Facebook.
“ Täglich fallen Bomben, täglich sterben Menschen, daran haben wir uns gewöhnt und meist fallen sie auch weit genug entfernt, so berühren sie unsere emotionale und reale Komfortzone nicht, da lässt es sich unbeschwert leben, nichts wird überschattet. Damit ist es vorbei, sobald solche Anschläge in unserer „Welt“ verübt werden, bringen sie nicht nur Verletzte und Tote hervor, diese Anschläge lassen feine Risse in unserer emotionalen Schutzmauer entstehen, durch die das Elend solcher Erfahrungen, bis in unser Innerstes vordringt und vielfältigste Gefühle empor schleudert. Würden solche Anschläge dazu beitragen, dass mehr Mitgefühl entsteht, hätten sie ihr Ziel nicht erreicht. Wir sind solchen Situationen bisher noch relativ selten ausgesetzt, allerdings leben unter uns Menschen, die solchen Situationen Tag für Tag und das über Jahre, ausgesetzt waren und sie aushalten mußten, die das Elend in aller Grausamkeit überlebt haben, weil sie sich auf den Weg gemacht und zu uns geflüchtet sind. Eingebettet in unserer sicheren Welt, tragen sie jede Sekunde der ertragenen Qualen mit sich, sie sind ihnen eingebrannt und werden sie bis zu ihrem letzten Atemzug begleiten, auch wenn man es ihnen nicht ansieht. Wenn diese Anschläge zu mehr Mitgefühl führen würden, hätten sie ihr Ziel nicht erreicht und das wünsche ich mir! „

Als Moderator bei Schulauftritten mit den Djemben-Gambianern im Rahmen der “ Willkommens Kul-Tour “ des DRK Rhein Neckar habe ich immer wieder die Schüler gefragt, wann sie, wann ich, wann ein Mensch an den Punkt kommt, alles zu verlassen was ihm wichtig ist.
Michael Schneider hat noch Filme der Flüchtlingsströme aus dem Osten während und nach dem zweiten Weltkrieg gesehen. Die Bilder haben sich seitdem ewig wiederholt, aber wir leben in einer unvorstellbaren Komfortzone.

Und hier ist das besondere Problem von Michael Schneider: Sein vehementer Einsatz für einen diskriminierten Menschen in Heidelberg, dem alles ausser Totschlag von “ Kultur-Menschen “ aus Heidelberg angetan wurde, bis in die höchsten Ämter ging diese Feigheit: Das alles scheint angesichts der inzwischen bei uns angekommenen Lawine an Elend geradezu lächerlich.
Für diese inzwischen lächerliche Reminiszenz stehen Namen wie Holger Schultze, Dr. Würzner, der Orchestervorstand des Philharmonischen Orchesters Heidelberg, sowie die Mehrheit des Theaters überhaupt, die alle durch Weggucken und Schweigen alle Lügen und Intrigen der genannten Macher unterstützt haben.

Flüchtlinge – unsere Krise ? Unser Reichtum und Lernprogramm für Ehrlichkeit und saubere Gerechtigkeit. Die Leiden der ehrenamtlichen Helfer: Sinnlosigkeit durch Ausdünnung. Am Ende dieses Tunnels wartet ein neuer Sinn auf Michael Schneider.

Den Flüchtlingen werden die Wege abgeschnitten. Die europäischen Grenzen sind ziemlich dicht. Kaum noch Nachschub an Flüchtlingen. Das macht die ehrenamtlichen Helfer arbeitslos. Besser: das ist sehr frustrierend. Michael Schneider will an ihnen gutmachen, was wir – unser Reichtum – ihnen geklaut haben.
Stimmt es, dass Rheinmetall in der Türkei eine Panzerfabrik bauen will um sie dann in der Region zu verkaufen ?
Sinnlosigkeit steht auf den Gesichtern meiner Mitstreiter.
Ein voller Deutschkurs im PHV – Patrick Henry Village in Heidelberg – mutiert in die Leere. Drei waren es noch vor einer Woche. Einer heute am dritten Mai 2017. Dank an die Grosse Politik, die AFD und Herrn Seehofer. Alle haben unsere europäischen Grenzen inzwischen erfolgreich geschützt.

Wer beschützt meine, unsere Seele, die der ehrenamtlichen Helfer ?
Im Ursprung waren heimische Hausfrauen, die auch etwas tun wollten die Quelle dieser Idee. Dann war die sogenannte „ Flüchtlingskrise „ nur Dank der Ehrenamtlichen zu meistern.
Jetzt: der volle Tritt in den Hintern.
Meine ehrenamtlichen Kolleginnen im PHV, C…… und A……. tragen die Fragezeichen so wie Michael Schneider im Gesicht. Aber auch in ihrer Seele.
Das ergibt kein Trauma, das haben die meisten Flüchtlinge und auch die „ UMA’s „ – wir fühlen uns missbraucht, vor einen Karren gespannt und dann: Ex und Hopp.

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Doch nein, da gibt es am Ende dieses Tunnels ein Licht. Das ist das mir bekannte Trauma von Abdulrahman.
A. hat seine Familie in Syrien durch eine Bombe – einen Gruss von Assad – verloren. Ein Auge sieht nicht mehr, seine Nase vernarbt, Splitter im Körper – einer steckt noch im Knie – und er spielt wahnsinnig gerne Fussball.
Es gibt also noch Begeisterung. Aber sein Trauma arbeitet auch gegen ihn. Er ist ausserdem mit seinen 16 Jahren noch ein echter Pubertist.
Michael Schneider wurde vor einigen Wochen zu seinem „ Ersatz-Papa „ !
Seitdem ist einmal in der Woche Kaffee in einem türkischen Kaffee angesagt. Dabei kann er rauchend von sich und dem Unmöglichen in seinem Leben erzählen, ebenso wie von seinen Träumen: Familie, Auto, einen Beruf und besonders: Fussball.
Gut, gehen wir, es wird Zeit.
Nein, noch nicht. Abdulrahman. Hast du noch Zeit, Michael Schneider ?
Bevor wir PHV Richtung Kaffee verlassen haben musste sein Sozialarbeiter ihm noch eine CD von dessen Kollegen ausleihen. Ein US-amerikanischer Rapper. Viele Bässe, so richtiger Bass-Stoff.
Schon auf dem Weg zum Kaffee fehlten mir die Ohrenschützer.
Was war der Höhepunkt dieser zwei Stunden mit Abdulrahman?
Lass uns einmal um den Bismarckplatz fahren. Mit offenen Fenstern, die Stereoanlage im Auto bis zum absoluten Output aufgedreht. Also bis kurz vor dem Exitus des Möglichen.
Ich sollte mir also für das nächste Treffen einen richtigen SUV, sorry: Hausfrauen Panzer besorgen, damit Abdulrahman das Gefühl der grossen Freiheit noch mehr geniessen kann.
Michael Schneider macht viel bis alles mit um Abdulrahman diese gefühlte Weihnachtsfeier zu ermöglichen.
Wie so oft in diesem Leben: Weniger ist oft mehr.

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Abdulrahman

Profis zu Besuch. Michael Schneider macht Musik mit den UmA’s im PHV. Deutsch und Musik im Auftrag des DRK Rhein Neckar.

Drei Abkürzungen! Wie viele davon können Sie in vollständiges Deutsch übertragen ?
33.3 % ? 66,6 % oder 100 %.
Ich lag bei der zweiten Möglichkeit. UmA’s gab es in meiner Schulzeit noch nicht.
“ Unbegleitete minderjährige Asylanten „.
Schon das letzte Jahr in der Breiten Seite Nummer drei in Sinsheim hat mich gelehrt, wie musikalisch und musikbegeistert Afghanen, Syrer und natürlich Afrikaner sind.
Für Minderjährige gilt das natürlich auch schon.

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Heute, am 5. April fanden Annette, meine Partnerin für den Deutschunterricht und ich bis auf Abdul Rahman eine komplette neue Gruppe junger Afrikaner vor.
Musik mit Flüchtlingen heißt : soviel Djemben wie möglich. Eine oder zwei verstimmte Gitarren tun es auch. Fremdharmonische Perkussion auf zwei Gitarren ist für Afrikaner kein Problem – für Michael Schneider spätestens seit heute auch nicht mehr.

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Heute ging die Post so richtig ab. Die Beweisphotos sehen Sie auf dieser Seite.
Dabei war ein Sänger – der junge Mann im grünen T-Shirt.
Er machte den Vorsänger. Immer wenn der Refrain kam: “ in Germany „, dann war lautes Trommeln aller angesagt mit Germany-Gesang der ganzen Gruppe.
We love Solidarity – in Germany.
We….. Hospitality ….We……Liberty……..!
Manches geschieht zum ersten Mal.
Das habe ich bisher noch nicht erlebt.

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Es gab im letzten Jahr die “ Willkommens-Kul-Tour der Sinsheimer Djemben Gambianer. Diese jungen Männer heute formulieren mit ihrer Musik was menschlich ungewöhnlich ist:
Bis sie volljährig sind beschützt sie unser Staat. Dafür bedanken sich diese jungen Menschen mit ihrer Musik.

Wir in Europa leben in einem unvorstellbaren Wohlstand. Unseren Reichtum haben wir in Afrika geklaut, die Länder ausgebeutet und sie in ihrer natürlichen Entwicklung gestört, weil wir meinten, wir sind das Non-Plus-Ultra dieser Welt. Die Flüchtlingsströme haben wir schon lange erwartet. Wohlstandsflüchtlinge waren uns schon lange angekündigt. Ein Jahrhundert der häufigsten Kriege liegt hinter uns und setzt sich gerade fort. Was machen wir ? Wir haben Angst um unseren unermesslichen Wohlstand. Wie krank ist diese Gesellschaft ?
Michael Schneider ist jedenfalls so krank, dass der sich wahnsinnig freut, wenn junge Flüchtlinge sich über unsere Wohltaten freuen.
Eigentlich sollte sich Deutschland bei diesen Menschen für das Chaos entschuldigen, das wir bei ihnen angerichtet haben.

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Was hier so positiv begann ist nur eine Volte, die ich auch in der Musik immer gelebt habe: Einmal alles umdrehen, infrage stellen, aus einer anderen Sicht betrachten. Danach kann ich zu meinem alten Standpunkt zurückkehren oder eben nicht. Jedenfalls habe ich mir Alternativen angeschaut. Dann erst habe ich ich die Möglichkeit der Wahl.
Aber bei einem Gedanken habe ich keine grosse Auswahl mehr:
Wenn sich das Philharmonische Orchester Heidelberg in der Affäre Yordan Kamdzhalov so tief unter die Gürtellinie begibt, dass die Nazis vor Scham fast ( nur beinah ) errötet wären, dann konnte Michael Schneider da nicht mehr mit machen.

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Ein viel schlimmere Variante:
Deutschland verkauft Waffen an Assad. Der bekämpft sein Volk. Eine Bombe aus Deutschland fällt auf das Haus von Abdul Rahman’s Familie in Syrien. Er überlebt den Bombenangriff als Einziger. Ein Auge bleibt ihm, drei Splitter im Körper, die Nase sehr vernarbt. Und nun gewährt ihm Deutschland bis zur Volljährigkeit Asyl. Dann aber beginnt erst das eigentliche Asylverfahren. Haben Sie noch Fragen ?

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Der Profi Michael Schneider besucht mit den Djemben-Proifs aus Gambia das Wilhelmi Gymnasium in Sinsheim. Die Willkommens-Kul-Tour der Flüchtlinge. Eine Initiative von Andrea Schmedes vom DRK Rhein Neckar.

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Pubertisten sind eine ganz eigene Gattung Mensch. Auch am Wilhelmi Gymnasium in Sinsheim. Cool sein. Nicht auffallen. Individuum, aber völlig angepasst. Mund aufmachen ? Fragezeichen! Guten Morgen Michael Schneider, zunächst der Moderator für eine geistig-spirituelle Einführung für die neunten Klassen am Wilhelmi. Reaktion? Null-Komma-Null.
Wahrscheinlich trifft auf die beiden Vormittage am Wilhelmi mit den Djemben-Gambianern die folgende Definition genau so zu wie für mich auf Mathematik:

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Michael Schneider, der Musik und Rede Profi denkt: na dann viel Spass, was wird das werden.
Es wurde. Unglaublich wurde es. Die jungen Männer, Flüchtlinge aus Gambia, Vollblutmusiker seit Windelzeiten ( Gibt es die in Gambia ? Darauf kann nun auch kein gedrucktes Lexikon eine Antwort geben ), sie haben diese Pubertisten geschafft. Im Handumdrehen wandelten sie an zwei Vormittagen verklemmte Pubertisten um in Tänzer und Tänzerinnen die es plötzlich konnten, so selbstverständlich, als wäre es immer so gewesen.

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Flüchtlingskrise ? Ein Segen für unsere Zukunft ? Eine Zukunft mit traumatisierten Menschen. Michael Schneider fragt nicht nach den Ursachen der Flucht. Aber manchmal reden die Ursachen.

Michael Schneider hat über die Djemben Gambianer geschrieben. Aber kein Wort über die Ursachen ihrer Flucht. Ich kann auch diskiret sein. Trotzdem sickerte in der Breiten Seite Nummer drei in Sinsheim immer wieder etwas durch. Ein Afghane spielt nicht mehr Klavier. Warum fragte ich ihn. Mein Klavier ist nicht mehr da, eine Bombe hat mein Haus zerstört. Das Klavier somit auch weg.

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Manchmal empfindet Michael Schneider auch gerinfügige Sachverletzungen als reine Körperverletzung.
Vor wenigen Jahren habe ich meiner Freundin Michelle geholfen das Haus eines wahren Messis leer zu räumen. 300 Quadratmeter vollgestopft mit allem zwei und dreifach. Meine Belohnung: Ich durfte mir aussuchen was ich wollte und legte es in einen offenen Raum, stellte Bretter davor. Mein Name mehrfach deutlich erkennbar.
An einem Tag der offenen Verkaufstür verschwanden alle diese deutlich reservierten Dinge. Es ging nicht um Werte. Es ging um meine Seele. Ob ich diese Dinge habe oder nicht, das ist nicht wichtig. Sie waren sowieso für Freunde und meine Kinder gedacht.
Ist diese Verletzung in diesem Zusammenhang wichtig? Ja das ist sie, denn sie ist lächerlich gegenüber dem was die vielen Flüchtlinge erlebt haben.

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Ich habe über Abdul Rahman aus Syrien geschrieben. Er ging gerade zum Duschen als eine Bombe nicht nur das Haus traf. Er selbst flog ein wenig mit Folgen durch die Luft. Seine Familie nicht. Da flogen Köpfe und andere Körperteile. Alle tot. Soll ich jetzt auch weinen ? Kann ich, würde ich auch gerne. Aber dann kann ich Abdul Rahman nicht mehr helfen.
Ähnliches hat mein Vater in Sibirien erlebt. Er liegt im Schützengraben, unterhält sich mit seinem Kumpel. Dann antwortet er nicht mehr. Geht auch nicht. Weil er tot ist. Erschossen.
Aber nach dem zweiten Weltkrieg war das posttraumatische Belastungssyndrom noch nicht erfunden. Ich leugne es hier keineswegs, aber mein Vater und unzählige andere deutsche Männer bekamen noch nicht einmal ein Dankeschön. Gut, anderes Thema.

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Abdul Rahman hatte ein auslösendes Moment im Deutschkurs im “ Fliegenden Klassenzimmer „, eine Erfindung des DRK Rhein Neckar im PHV. Seine plötzliche Blockade, die dann die gesamte Gruppe hemmte gab mir den Impuls ihn da raus zu nehmen.
Was nun? Wie geht es weiter ?
Ich rede mit ihm: Du kannst nur eines ändern in deinem Leben: Dich. Deine Einstellung zu dem was geschieht. Die Umstände: Meine, die von Michael Schneider optimal, 70 Jahre keinen Krieg, also fast gleich meinem Leben.

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Schau nach vorne, sage ich ihm. Er: ich bekomme so wenig …. Euro im Monat. Ich kann mir keine Kleidung kaufen……!
Ich telephoniere mit Andrea Schmedes vom DRK Rhein Neckar, erzähle ihr davon und dass ich mit ihm, Abdul Rahman in den Kleiderladen „JACKE WIE HOSE “ gehen will.
Sie: Dann melde das vorher an dann bekommt er alles umsonst.
Jetzt kann ich nur noch wie meine Pubertisten reden: “ Wie irre ist denn das ? “

Nota Bene: Demnächst starte ich auf dieser Seite meine Initiative: “ Wie irre toll ist Deutschland ! „
Zupfgeigenhansel sang das folgende Lied zu diesemThema:

ANDRE, DIE DAS LAND SO SEHR NICHT LIEBTEN SONGTEXT

Andre, die das Land so sehr nicht liebten
War’n von Anfang an gewillt zu geh’n
Ihnen – manche sind schon fort – ist besser
Ich doch müsste mit dem eig’nen Messer
Meine Wurzeln aus der Erde dreh’n!

Keine Nacht hab‘ ich seither geschlafen
Und es ist mir mehr als weh zumut –
Viele Wochen sind seither verstrichen
Alle Kraft ist längst aus mir gewichen
Und ich fühl‘, dass ich daran verblut‘!

Und doch müsst ich mich von hinnen heben –
Sei’s auch nur zu bleiben, was ich war
Nimmer kann ich, wo ich bin, gedeihen
Draußen braucht ich wahrlich nicht zu schreien
Denn mein leises Wort war immer wahr!