Toti Lanzalaco, Perkussionist und Mensch, weiss: Behindert ist nur, wer als solcher bezeichnet wird.

Konzert in der Evangelischen Bergkirche zum dreijährigen Jubiläum vom “ Querklang am Berghang „. Konzertlesung mit Nicoleta Craita Ten’o, Alfred Büngen und arkestra convolt. Unser Perkussionist Francesco Panarese weilt in Italien. Toti Lanzalaco weilt in der Bergkirche, sowohl als aktiver Musiker, wie als Zuhörer.

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Toti Lanzalaco, Photos: Peter Bösselmann

Der Zuhörer Toti meldet sich zu Wort. Es geht um eine Puppe. Die heisst Bianca. Die hält Nicoleta in ihren Armen. Immer. Wenn sie kaputt geht, dann kommt eine Neue. Die heisst dann auch Bianca. Bianca ist der Name der Betreuerin von Nicoleta, der sie besonders viel verdankt. Wenn Nicoleta im Bus sitzt, dann erlebt sie immer wieder Unverständnis bei anderen Jugendlichen.

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In den Augen mancher Jugendlicher ist Nicoleta schon wegen ihrer Puppe “ behindert „. Das bringt Toti auf einen Punkt mit der Feststellung, dass wir es alle ganz normal finden, wenn wir alle ständig mit einem Handy in der Hand herumlaufen. Er geht aber noch weiter: Nicoleta ist stumm, beherrscht sechs Sprachen, lebt allein und eigenständig in einer eigenen Wohnung, hat einen festen Arbeitsplatz, schreibt nach der “ Arbeit “ zur Zeit an ihrem dritten deutschen Roman. Erst wenn ich mit dem Finger auf andere zeige wird das zur Behinderung weil ich es so benenne.

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Nicoleta Craita Ten’o, Alfred Büngen und die Beredsamkeit des Schweigens.

Der Verleger Alfred Büngen leiht der stummen Autorin Nicoleta Craita Ten’o seine Stimme. Er liest aus ihrem Roman “ Man bezahlte den Kuckuckseiern den Rückflug „. Er entwickelt an einigen Schnittstellen mit dem Publikum den weiteren Verlauf des Romans. Er redet, er fragt und Nicoleta schweigt. Schweigt sie wirklich ?

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Dieses wunderbare Photo von Peter Bösselmann ( wie auch alle weiteren Bilder in diesem Zusammenhang ) spricht so viele Sprachen, wie Nicoleta sie beherrscht: Sie hat sich selbst gerade die sechste Sprache beigebracht. In allen diesen erlernten Sprachen könnte sie auch schreiben.
Aber dieses Bild spricht noch eine andere Sprache, die nahezu jeweils hundert Schüler in Waibstadt und in Schriesheim an zwei Vormittagen in je drei Lesungen kennengelernt haben.

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Nicoleta Craita Ten’o, Alfred Büngen

Wir, die wir alle so gut reden können, die wir den ganzen Tag über wenig Wesentliches aussprechen: Wir sind am Ende der Lesungen sprachlos, den Tränen nahe. Eine stumme und bescheidene junge Frau hat uns zum Schweigen gebracht. Wir haben nichts mehr zu sagen, es hat uns die Sprache verschlagen.
Nicoleta kann sehr wohl mit uns reden: Mit ihren Augen, ihren Gesten, ihre Körperhaltung verändert sich. Und wenn sie ihre Antworten zu Papier bringt, die während sie schreibt, für das Publikum auf eine Leinwand ( heute heisst das: Touchboard ) projiziert wird, dann erwischt es uns wie ein Hammerschlag, wenn sie brillant und locker eloquent Formulierungen zu Papier bringt, die nur einem äusserst lebendigen Geist entspringen können.
Alle Bilder und Vorstellungen über stumme ( und damit nach unserem Verständnis “ behinderten “ Menschen ) werden Makulatur.

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Profis zu Besuch an der Realschule Waibstadt am 23.11.2015 – Michael Schneider liest mit seiner Tochter Anna Kaess “ Die Erklärung der Menschenrechte „.

Im Rahmen der Reihe: Profis zu Besuch bietet der Solo Kontrabassist
Michael Schneider vom Philharmonischen Orchester Heidelberg
im
Rahmen des Schulunterrichts an der Real Schule Waibstadt am
23.11.2015 eine Konzert Lesung an zu dem sehr aktuellen Thema:
“ die Erklärung der Menschenrechte „.

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Photo : Peter Bösselmann

Eine Lesung, die mit Musik von Michael Schneider auf dem Violoncello und
dem Kontrabass
begleitet wird. Gemeinsam mit seiner Tochter, der
Schauspielerin Anna Kaess, werden Texte von Adalbert Stifter, Juli Zeh und
die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 gelesen.
Diese Erklärung der UNO firmiert in unserem allgemeinen Gedächtnis als
sehr bekannt.
Wie die zehn Gebote: jeder kennt sie. Aber weiter reicht unsere Kenntnis
selten. Noch rarer wird unsere Erkenntnis bei den Menschenrechten. Dass es
sich dabei um 30 Artikel in der UNO Erklärung handelt, das dürfte den
wenigsten vertraut sein.
Wir, meine Tochter und ich, wir werden die Welt durch diese Lesung nicht
verändern können. Wir hoffen jedoch, dass es uns gelingt die Erinnerung an
Werte wach zu halten, die nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges von
den Vereinten Nationen als vorrangig und visionär betrachtet wurden.
Selbstverständlich können wir keine Kriege verhindern oder beenden, aber
wir können die Erinnerung und die Hoffnung an Visionen der gesamten
Menschheit wach rufen und vielleicht wach halten.
Die Schriftstellerin Juli Zeh bemerkt zu der Erklärung der
Menschenrechte:
“ Die Menschenrechte sind ein ganz besonderer Text, sie sind eine
Botschaft, die die Menschheit an sich selbst geschrieben hat und
möglicherweise die einzige Botschaft der Welt, bei der es nichts
ausmacht, wenn niemand ihren Inhalt kennt

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Anna Kaess