„Contrabajeando“ von Astor Piazzolla – gespielt von Michael Schneider mit arkestra convolt im Querklang am Berghang

Libertango, Adios Nonino und Contrabajeando in Insrumentalversionen, mal solistisch am Kontrabass ( Michael Schneider ) mit und ohne Begleitung von arkestra convolt. Eine fulminante Musik. Herb und spröde, faszinierend fremd, dabei atemraubend und zupackend wenn Musiker dies mit dem wilden Geist der musikalischen Freiheit interpretieren können.
Stellen Sie sich den Impetus der Französischen Revolution vor ( so wie wir uns das heute deuten ), nur ohne Tote. Doch : Piazzolla begräbt die bürgerlich konservative Musikrezeption unter seiner spröden Harmonik. Aber eigentlich war Bruckner da auch schon sehr ausgefuchst, nur hat es niemand gemerkt weil er nicht Bandoneon spielt und auch nicht mehr lebt.
Wenn ein Klassiker Piazzolla spielt, dann füllt er meistens gerade die musikalische Sterbeurkunde aus. Er spielt halt : Piazzolla.
Wie soll ich leben? Wild und gefährlich !!! Das war vor zwanzig Jahren eine beliebte Postkarten Frage-Antwort.
Ich versuche nicht die richtigen Töne zu spielen .Ich spiele sie und der Zuhörer dankt es mir, weil er sich um mich und meine Noten-Töne keine Sorgen machen muss. Wer Contrabajeando spielen möchte, die Noten aber nicht findet, der kann sie bei mir erhalten.

Für die nächste Generation : das Denken und Spielen in Daumenlagen – “ Tu auras l‘ habitude d’un virtuoso“

In der Gewöhnlichen und der Ersten Lage gibt es je nach Tonart einige wenige Grundstrickmuster:

Das Greifmuster von B-Dur, A-Dur und C-Dur. In der Oktavlage fällt der 4. Finger weg und wird durch den Dritten ersetzt. Lege ich den Daumen nun in der Dritten Lage ( nach Rabbath ) auf der A-Saite auf das E und spiele in dieser Daumenlage E-Dur, dann benutze ich den Fingersatz von A-Dur, aber E-Dur erklingt. Wer einmal verstanden hat, dass sich zwar das Notenbild ständig verändert, die Struktur aber nicht, der begreift schnell, dass mit dem Spielen quer über die Saiten der stets lästige Lagenwechsel wegfällt, der wie z.B. in der h-moll Suite nur wegen eines Halbstons ständig erforderlich wird. Wie konnte Django Reinhardt, die Beatles und so viele Rockmusiker, wie konnte und kann ein Heer von nicht ordentlich ausgebildeten Musikern so viele wunderschöne Melodien erfinden, von denen die meisten ihr Instrument im herkömmlichen Sinn nie richtig gelernt haben ?

Die haben einfach verstanden: Wenn ich in einer Hand wunderbare Melodien erzeugen kann kann, dann schiebe ich die Hand einfach dahin, wo ich die gewünschte Tonhöhe habe und bin dort weiter kreativ tätig. Oder besser : sie haben gar nichts verstanden, die tun das einfach weil sie es mit der Muttermilch aufgesogen haben.

Der lange Weg des Übens zu solcher Virtuosität ist nicht nur lang , sondern auch sehr sehr mühsam. Durch vier Hefte Albin Findeisen Etuden habe ich mich durchgearbeitet, Simandl selbstverständlich, Ludwig Streicher, Paul Breuer, es war für mich nie etwas Neues. Ray Brwon und viele andere Jazzer haben Schulen geschrieben, alles war nur gedreht und gewendet, aber nicht neu.

Das grosse Geschenk der “ Rabbath “ Idee ist für Schüler und Erwachsene, dass sie sehr schnell in einem Orchester erfolgreich und sauber viele schwere Passagen spielend ( und spielerisch ) beherrschen können, die ihnen auf dem herkömmlichen Weg mit vielem Üben vermutlich nie zur Verfügung stünden. Das gilt auch für das Cello.

Von der Einsamkeit der Neugierigen

Galileo Galilei und mit ihm viele andere Wissensdurstige haben sich bestimmt über die Folgen ihrer Neugier gewundert : Androhung von Folter und Tod war einmal die Antwort auf Neugier mit Erkenntnis. Folter geht heutzutage nur noch indirekt in Form von Mobbing. Was sagt der Zwerg Gwimlin im Herrn der Ringe in der ausweglosesten Situation: Wenig Aussicht auf Erfolg, den Tod als Gewissheit, worauf warten wir noch. Zumindest das Gefühl vieler Solopositionen in Orchestern vermittelt das folgende Gefühl: dann zieh dich warm an. Du bist einsam und auf verlorenem Posten, wenn du dem nicht widerstehst, denn du sitzt auf dem Posten, den eigentlich alle anderen haben sollten. Tun sie aber nicht, aber sie verhalten sich so. Das ist der Alltag.  Aber wenn du noch einen drauf setzt und den Kollegen erzählst, dass die Welt keine Scheibe, sondern eine Kugel ist, dann sei mental darauf vorbereitet, dass deine Situation nur wenige Jahrhunderte von der Situation Galileos entfernt ist.

Die positive Sicht davon: ich gehe nicht auf einen hohen Berg um dort Menschenmassen zu begegnen. Diese Einsamkeit geniesse ich, deswegen bin ich hier .Ausserdem liegt es in der Natur der Sache, dass besondere Leistungen nicht von allen erbracht werden  können.

1991 begann ich mit meinem Studium bei Francois Rabbath in Paris. Ein neuer Bogen, eine neue Technik, ich war wieder am Anfang. In Heidelberg als Solokontrabassist hatte ich regelmässig Kontrabasskonzerte aufgeführt und war im Jahr 1990 zum ersten mal mit mir selbst zufrieden. Aber dann mache ich mich aus Neugier wieder zum Anfänger. In Heidelberg wurde alles angezweifelt was ich aus Paris mitbrachte, ganz abgesehen von der grundsätzlichen Ablehnung. In dieser Zeit habe ich gespürt, dass es sehr viel leichter sein kann in der Masse mit zu schwimmen. Geholfen hat mir mein erster Lehrer und ein japanischer Haiku.

Der Lehrer: wenn du jetzt anfängst, dann frage nicht nach dem Ende. Mache einfach deine Hausaufgaben für die nächste Stunde, dann bist du plötzlich angekommen und hast es nicht gemerkt.( Das passt doch gut, es lässt sich auch so ausdrücken: Der Weg ist das Ziel ).

Der Haiku: “ Was, du willst auf den Fujijama kleine Schnecke ? Aber langsam, aber langsam“ Wenn ich vor dem Berg stehe und hinauf soll, dann werde ich sagen: das kann ich nicht. Gehe ich aber einfach los ohne auf den Gipfel zu starren, dann werde ich plötzlich oben sein und habe es nicht gemerkt.

 

 

 

Haang Jeung und die Genssler Saiten – eine neue Erfahrung für Michael Schneider

Haang Jeung will Bass lernen. Sie hat nicht die grössten Hände, aber einen eisernen Willen. Und ich habe die Ideen dazu; wir beginnen in der Daumenlage, da braucht sie den vierten Finger nicht. Aber die Saiten sind hart und die Saitenlage noch nicht optimal. Der Rabbath Knickstachel ist schon eingebaut, der Bass also federleicht in der Schräghaltung. Ihre Hände sind in zwei Monaten schon kräftiger, der Ton voller und der Sustain ok. Aber ihr Lehrer ist Fan von Gerold Genssler’s Saiten. In der heutigen Stunde war es so weit: Erster Versuch mit den neuen Saiten. Erste Erkenntnis: der Bass ist viel lauter. Zweitens: sie hört die Töne klarer, sauber spielen fällt leichter. Der Lehrer sorgt sich um die noch zu hohe Saitenlage. ( Ich trage locker eine Hälfte eines Klavieres, aber bei der Saitenlage bin ich inzwischen eine Mimose ). Schlägt aber vor, mit einer Veränderung noch zu warten bis sich alles zurecht gezurrt hat. Schülerin: nein, bitte nicht tiefer legen, sonst weiss ich ja nicht ob ich drücke.

Nun gut, der Rest „Widerstand“ sei ihr gegönnt, wir sind dank Gerold schon kurz vor der Vollendung der Utopie, der unerträglichen Leichtigkeit des Bass Spielens.

Schwere oder leichte Bass Bögen ? Eine Betrachtung aus meinem Orchesteralltag.

Lothar Seifert war Bogenmacher. Der Name, auch der seiner Nachfahren steht für hervorragende, auch aussergewöhnliche Bögen. Auf der Suche nach einem französischen Bassbogen besuchte ich ihn. Er führte mir viele schöne Bögen vor, aber alle waren mir zu schwer, viel ( sehr ) zu kopflastig. Warum, fragte ich ihn machen sie das, wer will so schwere Bögen ? In Deutschland verkaufe ich so gut wie keine französischen Bögen ( wir befanden uns im Jahr 1995 ), sondern nur ins Ausland. Dann erklärte er mir, dass besonders die amerikanischen Bassisten nach dem zweiten Weltkrieg immer schwerere Bögen bei ihm bestellten. Das hing damit zusammen, dass die Konzertsäle immer grösser wurden und sie meinten, sie müssten die Säle mit mehr Ton ausfüllen. Dieser Gedanke fand nur Hilfe durch schwere Bögen.  Wer Michael Schneider kennt, der weiss dass ich hier nichts gegen schwere Bögen habe. Es kommt immer nur darauf an, ob es dem jeweiligen Zweck dient oder nicht. Ich habe damals einen leichten Bogen von Seifert bekommen. Den habe ich gespielt, bis Gerold Genssler mit seinen “ Rabbath Saiten “ in mein Leben trat.. Als ich 1991 bei Rabbath begann, stand ich mit einem Bein im Gefängnis – im Bassisten Gefängnis. Nun stehe ich mit beiden Beinen dort, denn jetzt spiele ich den Bass nur noch mit einem Cellobogen. Der darf dann auch gerne etwas schwerer sein , also leicht kopflastig. Das hängt mit den Genssler Saiten zusammen.  Bei dickeren Saiten mit grösserer Spannung wäre ich vermutlich nie auf diese Idee gekommen.

Die Genssler Saiten sprechen an wie Geigensaiten, aber nur wenn man sie auch so behandelt. Führt man sich auf wie die Holzhacker Bua, dann kommt auch die entsprechende Antwort. Das gilt meines Erachtens aber auch für jede Art von Saiten. Das richtige Bogengefühl geht im Orchester Alltag leicht unter wenn man der Illusion unterliegt, gegen das Blech anspielen zu können. Für einen kultivierten Bogenansatz gilt für mich der Spruch eines weisen Heidelberger Cellisten: Sie müssen vor und nach dem Orchester immer ihre Töne reinwaschen.

Ein früherer Kollege von Willi Beyer, ehemals Solobassist beim NDR Sinfonieorchester erzählte ihm immer wieder: Willi, wenn das Blech einsetzt sofort auf piano umschalten.

„Weltmusik “ von und mit Francois Rabbath

Die Entstehungsgeschichte von Francois Rabbath’s phantasievollen Weltmusikstücken soll hier erzählt werden. Eigentlich hat Bertold Brecht sie schon vor vielen Jahren in seinem Gedicht “ Legende von der Entstehung des Buches Tao Te King auf dem Weg des Laotse in die Emigration „verbreitet.

Auf der Suche nach der “ Nouvelle Technique de la Contrebasse “ begann er auf seinem Instrument herumzuspielen. So entstanden spielerisch seine ersten Solostücke: Iberique Penninsulaire  ( imitiert  spanisch-folkloristischen Gesang auf dem Kontrabass ), Kobolds ( eine fetzige Jazz Nummer, die er oft mit zwei Schlagzeugern präsentiert hat ), Breiz ( Breiz ist der alte Name für Bretagne und imitiert einen Dudelsack ). Jedes seiner Solostücke hat einen spielerischen Hintergrund, entstand auf der Suche nach weiteren technischen und bogentechnischen Möglichkeiten. So spielte Rabbath vor sich hin: im Palais des Sports vor 5000 Zuschauern und zu Hause für sich und seine Schüler.  Das Rabbath conservatorywürde er vermutlich heute noch so machen, wenn ihm nicht Frank Proto über den Weg gelaufen wäre. Er hat Francois genötigt, das alles aufzuschreiben. Frank Proto hatte damals schon seinen eigenen Verlag : Liben Music. Dort wollte Proto die Musik von Rabbath veröffentlichen. Seitdem ist uns, den Kontrabassisten diese Sammlung erst zugänglich.  Ein Freiburger Kollege hat vor vielen Jahren mit einem Solostück von Francois sein Probespiel bestanden. In den achtzigern gehörte seine Musik noch zu einem Insider Geheimtip.

Ich habe in den ersten zwölf Jahren beim Philharmonischen Orchester Heidelberg viele Kontrabass Konzerte mit unserem Orchester aufgeführt und zu meinem Leidwesen stand in den Kritiken entweder “ das Erstaunen darüber, dass so etwas auf dem Kontrabass möglich ist “ oder aber der Aufschrei:2 Hilfe, die Möbelpacker kommen „. Nachdem ich die Solostücke von Francois entdeckt hatte änderten sich schlagartig auch die Reaktionen im Publikum : es war mit Rabbath’s Musik sofort spürbar, dass dies Musik vom und für den Kontrabass ist und in Kritiken wurde auch über Musik geredet.

 

 

 

Als er siebzig war und war gebrechlich,Drängte es den Lehrer doch nach Ruh’,Denn die Weisheit war im Lande wieder einmal schwächlichUnd die Bosheit nahm an Kräften wieder einmal zu.Und er gürtete den Schuh. Und er packte ein, was er so brauchte: Wenig. Doch es wurde dies und das. So die Pfeife, die er abends immer rauchte. Und das Büchlein, das er immer las. Weißbrot nach dem Augenmaß. Freute sich des Tals noch einmal und vergaß es, als er ins Gebirg den Weg einschlug. Und sein Ochse freute sich des frischen Grases. Kauend, während er den Alten trug. Denn dem ging es schnell genug. Doch am vierten Tag im Felsgesteine hat ein Zöllner ihm den Weg verwehrt: „Kostbarkeiten zu verzollen?” „Keine.” Und der Knabe, der den Ochsen führte, sprach: „Er hat gelehrt.” Und so war auch das erklärt. Doch der Mann in einer heitren Regung fragte noch: „Hat er was rausgekriegt?” Sprach der Knabe: „Daß das weiche Wasser in Bewegung mit der Zeit den mächtigen Stein besiegt. Du verstehst, das Harte unterliegt.” Daß er nicht das letzte Tageslicht verlöre, trieb der Knabe nun den Ochsen an. Und die drei verschwanden schon um eine schwaerze Föhre. Da kam plötzlich Fahrt in unsern Mann Und er schrie: „He, du! Halt an!” „Was ist das mit diesem Wasser, Alter?”Hielt der Alte: „Interessiert es dich?” Sprach dem Mann: „Ich bin nur Zollverwalter, doch wer wen besiegt, das interessiert auch mich. Wenn du’s weißt, dann sprich!Schreib mir’s auf. Diktier es diesem Kinde! So was nimmt man doch nicht mit sich fort. Da gibt’s doch Papier bei uns und und Tinte und ein Nachtmahl gibt es auch: ich wohne dort. Nun, ist das ein Wort?” Über seine Schulter sah der Alte auf den Mann: Flickjoppe. Keine Schuh. Und die Stirne eine einzige Falte. Ach, kein Sieger trat da auf ihn zu. Und er murmelte: „Auch du?”Eine höfliche Bitte abzuschlagen war der Alte, wie es schien, zu alt. Denn er sagte laut: „Die etwas fragen, die verdienen Antwort.” Sprach der Knabe: „Es wird auch schon kalt.” „Gut, ein kleiner Aufenthalt.” Und von seinem Ochsen stieg der Weise, sieben Tage schrieben sie zu zweit. Und der Zöllner brachte Essen (und er fluchte nur noch leise mit den Schmugglern in der ganzen Zeit). Und dann war’s so weit. Und dem Zöllner händigte der Knabe eines Morgens einundachtzig Sprüche ein und mit Dank für eine kleine Reisegabe bogen sie um jene Föhre ins Gestein. Sagt jetzt: kann man höflicher sein? Aber rühmen wir nicht nur den Weisen, dessen Name auf dem Büchlein prangt! Denn man muß dem Weisen seine Weisheit erst entreißen. Darum sei der Zöllner auch bedankt: Er hat sie ihm abverlangt.