Der Solokontrabassist Michael Schneider spielt Cello. Dabei geht er nicht einmal fremd: Er ist Rentner und kann machen was er will. Das tut er sowieso schon immer. Und jetzt erst recht für Flüchtlinge.

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Lesen Sie hier mehr: Michael Schneider geht nicht nur regelmässig in ein Flüchtlingsheim in Sinsheim, der berühmten “ Breiten Seite Nummer drei „, er gibt dort auch noch gratis Gitarrenunterricht – ob es dabei bleibt, das wird sich zeigen – er ist auch zu Erweiterungen bereit: andere Instrumente unterrichten, gemeinsames Musizieren mit Flüchtlingen, Konzerte für die Flüchtlinge geben ? Alles inklusive um von unserem unverschämten Reichtum etwas an die Opfer zurückzugeben, die durch uns auf der Strecke geblieben sind.
Michael Schneider geht oft in Schulen, als “ Profi zu Besuch „. Einmal Profi – immer Profi. Also wird er das auch weiterhin tun. Immer wieder taucht dann die Frage auf, wie lange ich schon Musik mache. Dann antworte ich: 5000 Jahre. Gelächter: das kann doch gar nicht sein. Dann erzähle ich ihnen eine Geschichte von den chassidischen Juden. Die glauben, dass die Seele eines Menschen, bevor sie wieder reinkarniert wird, über eine Brücke gehen muss. Auf dieser Brücke steht ein Engel, der sagt: vergiss alles was du in den letzten 5000 Jahren gelernt hast. Die Seele vergisst und wird reinkarniert. Diese Juden glauben nun, dass es unsere Aufgabe in diesem Leben ist uns zu erinnern. Zu erinnern, warum wir hier sind, was hier in diesem Leben unsere Aufgabe ist.
Soweit die Geschichte.
Ich habe mich mit elf Jahren daran “ erinnert „, dass Musik mein Leben ist und habe dies seitdem konsequent verfolgt.
Danach lacht keiner mehr von den Schülern. Die meisten verstehen die Meta-Ebene dieser Erzählung, wahr kann auch sein, was nicht so konkret ist.
Und was verstehen die Flüchtlinge in Sinsheim, wenn sie Musik auf dem Cello und dem Bass hören, Musik von Johann Sebastian Bach, Weltmusik von Francois Rabbath ?
Ich wiederhole mich : meine Betreuerin vom DRK Rhein Neckar erzählt mir: diese jungen Männer befinden sich im Krieg. Ich kann mir das nicht vorstellen. Wir in Deutschland sind seit über 70 Jahren kriegsfreie Zone, für mich das selbstverständlichste auf der Welt.

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Das Bild das Sie hier sehen wurde aufgenommen nach dem Konzert im Oktober im Querklang am Berghang, nach der Lesung mit Nicoleta Craita Ten’O und ihrem Verleger Alfred Büngen.
Ich gebe hier noch einmal eine Selbstdarstellung von Nicoleta wieder, die für mich das beeindruckendste Dokument menschlicher Dankbarkeit darstellt, die ich mir in unserem reichen Land vorstellen kann, von einem Menschen, der Erlebnisse hat, die unsere vorstellbaren Dimensionen sprengen. Verfolgen Sie den nächsten Artikel: Nicoleta über sich.

Der Profi Michael Schneider zu Besuch im Flüchtlingsheim des Rhein Neckar Kreises “ Breite Seite Nummer drei “ in Sinsheim.

Michael Schneider fährt vor. Eine riesige Halle, eingezäunt mit Metallgittern. Jede Menge schwarz gekleidete Security Männer am Eingang.
Ihren Ausweis bitte. Öffnen Sie bitte Ihren Wagen. Packen Sie dieses Instrument aus, wir möchten nichts falsch machen. Mein kompletter Bass wird auf Sprengstoff und Waffen untersucht. Mein Stachel, der im Köcher steckt wird begutachtet. Äußerst misstrauisch. Kommentar des Security Mannes: passen Sie auf, dass der Stock nicht in falsche Hände gerät. Mein Bogen Etui wird geöffnet. Dann wird der Wagen inspiziert.
Meine “ Betreuerin “ vom Deutschen Roten Kreuz hatte zuvor dafür gesorgt, dass ich auf das Gelände fahren darf. Sie erklärt mir diese Sicherheits Vorkehrungen. Sie erklärt mir, dass vorsorgende Kontrolle besser sei, als dass jemand eine Bombe auf das Gelände schmuggeln könnte.
Michael Schneider hat den Eindruck, dass hier die Flüchtlinge aus allen möglichen Krisenländern vor den Deutschen geschützt werden müssen.
Michael Schneider ist sehr sehr gerne ein “ Deutscher „, er ist aber genauso gerne für, auf der Seite der Flüchtlinge. Wenn sie hierbleiben, dann werden sie uns Deutsche bereichern, mit Intelligenz und Farbe.
Als die ersten Gastarbeiter aus Italien und dann der Türkei nach Deutschland kamen, da wollten, da brauchten wir sie nur als Arbeitskräfte in den Fabriken, weil wir Deutschen keine Lust mehr hatten dort zu arbeiten. Dass dann aber besonders die Türken in Deutschland blieben, als sehr engagierte Familien und Clan Menschen, da haben wir Deutschen einfach die synergetische Integration einer anderen Kultur verschlafen.
Ich bin Musiker, ich bin Welt Musiker, ich war und bin Jazzer. Dazu gehört die Neugier auf andere Kontinente, andere Kulturen und andere Hautfarben. Trotzdem hat Michael Schneider es in 35 Jahren in Heidelberg nicht geschafft, Kontakt mit türkischen oder arabischen Musikern im Rhein Neckar Gebiet aufzunehmen.
Erst diese Flüchtlingskrise hat mir die Pforten zu diesen Kulturen geöffnet. Ich rede von meinem Besuch im Flüchtlingsheim Breite Seite Nummer drei in Sinsheim.
Die Ouvertüre haben Sie bereits gelesen, wenn Sie an diesem Punkt angelangt sind.
Der Solo Kontrabassist Michael Schneider spielt, wie könnte es anders sein? Er spielt Johann Sebastian Bach, aus den Cello Suiten. Es folgt moderne poppig fetzige Cello Musik aus den USA. ( Mark Summer: Julie-O, Susanne Paul: Just Doodling, Osvaldo Golijov: Ainii Taqtiru ).
Dann packt Michael Schneider seinen Kontrabass aus und erzählt seinen Zuhörern, jungen Männern aus Afghanistan, Syrien und Afrika, er erzählt ihnen musikalische Jazzgeschichten und spielt “ Reitba „, eine Komposition des Bass Virtuosen Francois Rabbath. Er erzählt die Geschichte zu diesem Stück. Alle Zuhörer verstehen Englisch und hören gut zu. Die afrikanischen Männer glauben die Erzählung zu “ Reitba „. Das Stück erzählt von einem Abend an einem afrikanischen See. Ein echter König hatte Francois Rabbath dorthin eingeladen. Das Stück schildert den Sonnenuntergang, den aufkommenden Abendwind, der Wellen an das sandige Ufer treibt.
Die dunkelhäutigen Flüchtlinge waren zu Beginn, also während der Musik von Johann Sebastian Bach noch in dem Verhaltensmodus zur Zeit von Rossini, als das Publikum sich noch vehement und entspannt zur Musik unterhalten hat.
Gut, denkt Michael Schneider, dann spielst du jetzt wohl mal etwas leiser. Du spielst jetzt noch leiser bis hin zum gar nicht mehr. Und siehe da: es wird still im Raum. Und: es wurde immer stiller, auch nachdem es schon still war.
Jetzt hatten sie es begriffen und jetzt gab es für die Zuhörer kein Entrinnen mehr, sie hatten Feuer gefangen.
Danach: Gibst du Gitarren Unterricht? Ich möchte gerne Gitarre lernen. Ein Syrer: ich spiele Dschembe. Wenn du das nächste Mal eine Dschembe mitbringst, dann möchte ich mit dir Musik machen. Ein Flüchtling aus Afghanistan erzählt mir dass er Klavier spielt. Spielen kann. Kann er aber nicht mehr, weil sein Haus zerstört ist und er fliehen musste. Michael Schneider denkt sofort darüber nach, woher jetzt ein Klavier kommen könnte.
Zum Abschied wünschten sich einige der Zuhörer Gruppenphotos mit mir, mal Gruppe mit Kontrabass, dann Duos mit mir und Instrument.
Nach dem ersten “ Bach “ fragte ich meine Zuhörer:“ One more ?“
Einhellig nickende Antwort: “ One more „. Ein neuer Zuhörer sagt irgendwann: “ Two more „. Jetzt ist klar, ich muss nicht weiter fragen.

Michael Schneider im Rote Insel Salon – Berlin – am 18.3.2016 mit Werken von Olga Magidenko, Frank Proto, Francois Rabbath und Uli Kieckbusch.

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Der Solokontrabassist Michael Schneider lässt es sich seit seinem Dienstantritt vor 35 Jahren in Heidelberg nicht nehmen, neben seiner Dienstbezeichnung auch tatsächlich als Solist aufzutreten. Das Ergebnis, die Erkenntnis dieser ausgiebigen solistischen Tätigkeit sind einige Werke, die immer wieder begeistert aufgenommen werden auch von Zuhörern, die mit Neuer Musik sowie mit moderner Kontrabass Musik nicht vertraut sind.
Das erste “ erfolgreiche “ Stück ist Kadenza von Teppo Hauta Aho. Nicht umsonst ist es so berühmt wie gern gespielt, auch wenn der Komponist es nicht mehr hören kann. Für Michael Schneider ist es immer noch vorrangig vor der “ Pieni Bassophantasia „.
“ Spagnolo “ für Kontrabass Solo von Olga Magidenko wurde von mir vor zwei Jahren aus der Taufe gehoben und heimst seitdem in vielen Konzerten begeisterte Erfolge ein. Bei aller Sprödigkeit mit vielen tiefen Tönen und Doppelgriffen in tiefen Lagen überragt es musikalisch wie spieltechnisch das so hoch bewertete “ Hommage à Bach “ von Zbinden, bei dem ich nie Spielfreude entdecken konnte. Dieses Stück bezeichne ich als anstrengend und sehr bemüht, irgendwie kopflastig. Aber ich betrachte mich auch weniger als Musiker denn als Musikant. Also liegt diese Kritik wohl eher in meinem Wesen als am Stück.
Ganz still im Raum wird es immer wieder, wenn ich den zweiten Satz aus der Kontrabass Sonate “ 1963 “ von Frank Proto Solo spiele. Wenn kein Pianist zur Verfügung steht, dann empfehle ich jedem Solisten diesen Satz Solo zu spielen. Ich habe immer wieder den Eindruck, dass diese wunderbaren Bebop Phrasen ohne das – störende – Klavier viel klarer und eindringlicher in die Gefühle der Zuhörer eindringen. Knisternde Stille im Raum animiert mich zu dieser Darstellung.
Seit ich die Kompositionen von Francois Rabbath spiele hat sich in meiner Musik und der Spiegelung durch das Publikum etwas radikal geändert: Da wundert sich niemand mehr darüber, warum ich so hoch spiele. Diese Musik vermittelt alles andere als den Eindruck, dass da einer versucht besser als die Cellisten zu spielen. Das ist einfach Musik vom, für den Kontrabass. Musikalisch glaubwürdig, authentisch sozusagen. ( Und als Geheimtip für neugierige und suchende Bassisten: Genssler Rabbath Saiten verwirklichen alle Träume die ihr Bassisten noch nie hattet. )
Und jetzt folgt noch Uli Kieckbusch: Freund und begnadeter Komponist, sowie Urgrossneffe von Johannes Brahms.
“ Tänka Pa Ko „, ein Blues der ihm in Finnland in den Sinn kam. Auch dies ein stilles Stück, das mein Publikum immer wieder noch stiller werden lässt.
Meine – spontane – Erkenntnis beim Schreiben in diesem Moment: Stücke, die einfach nur Musik sein wollen, die eine Geschichte erzählen, unprätentiös, also noch einmal : authentisch: die werden dankbar an- und aufgenommen. Das Gehirn versteht, wird aber nicht berührt. Darum haben wir das Wort: kopflastig.

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Francois Rabbath und Franz Simandl – ein Tonleiter Spaziergang durch zwei verschiedene Spielansätze.

Die größte Gemeinsamkeit ist meines Wissens der Vorname. Unser französischer Virtuose heißt demnach also „Franz “ Rabbath.
Denke ich an meine erste Zeit mit den zehn Bänden von Franz Simandl und seiner Kontrabass Schule, dann erinnere ich mich daran, dass es zum Beispiel 2-3 Möglichkeiten gibt eine Tonleiter auf einer oder zwei Saiten zu spielen. Auch wenn die Simandl Schule dem Lernenden zunächst alle Töne über alle vier Saiten Stufe um Stufe vermittelt, wird am Ende dieses Wissen nicht mehr benutzt. In der Praxis geht es dann immer sehr zügig auf die oberste Saite. Mein Studienkollege Jörg Linowitzky, der schon lange Kontrabass Professor in Lübeck ist, er ist ein eifriger Verfechter des Spielens auf einer Saite. Wegen des gleichmäßigen, ausgewogenen Klanges.
Entsprechend mündet die Ausbildung heute immer noch beim Kontrabass Spiel möglichst auf einer Saite. So wird ein so genanntes Mono Saiten Denken produziert.
Nennen wir es: freiwillige Selbstbeschränkung.

Im dritten Band seiner “ Nouvelle de la Contrebasse “ stellt François Rabbath alle Tonleitern über drei Oktaven vor und die Möglichkeiten die Fingersätze und die Wege über alle vier Saiten bis in die höchsten Lagen zu gestalten.
Er selbst möchte damit keineswegs jemanden animieren, alle diese Varianten zu üben.
Er schlägt dem Lernenden vor, sich drei davon auszusuchen und die gut zu beherrschen.
Schon bei Ansicht der vielen Varianten, in Dur sind es zwischen 150 und 180, bei den B – Tonarten reduziert sich das wegen der fehlenden leeren Saiten auf ungefähr die Hälfte, 60-80, schon beim Betrachten der vielen aufgezeigten Möglichkeiten bekomme ich ein Gefühl von Reichtum. Es gibt also so viel Auswahl, so reichliche Auswahl, dass ich sie gar nicht vollständig wahrnehmen kann.
Wenn ich dann noch die Daumenlage-Kapodaster-Technik mit einbeziehe, dann verdoppeln sich die Möglichkeiten in Kreuz- und B-Tonarten noch einmal.
In der Daumenlage spiele ich die Greifmuster von A-Dur, Bb-Dur und C- bzw..G-Dur, je nachdem ich über drei oder vier Saiten spiele. Mit Daumenlage ist hier keineswegs die Oktavlage nach Franz Simandl gemeint, sondern Daumenlage bezieht sich darauf, dass ich den Daumen dort hinlege, wo ich einen beliebigen Ton als Grundton brauche.
Die drei Varianten noch einmal in Moll und ich habe ohne mich zu bewegen 14-16 Töne in einer Hand.

Eine Reichhaltigkeitsexpedition empfehle ich jedem Neugierigen.

Zunächst : Verzweiflung. Die Sinnlosigkeit steht vor der Tür. Dann : Verstehen, aber noch nicht: Können. Dann beginnt eine neue musikalische Lebensfreude: “ Tu auras l’habitude d’un virtuoso „.
Wie hört sich das nun bei Michael Schneider an ?
Auf unserer Webseite von “ Lyrik Kontra Bass “ gibt es es zwei passende Beispiele dazu: ein Larghetto von Antonio Vivaldi und “ Reitba “ von Francois Rabbath.
Für den Reitba-Clip erhielt ich gestern den folgenden Kommentar zu meiner Interpretation: „……. oh, ich höre gerade nebenher den Francois Rabbath…. mann, ist DAS schön gespielt – so schön habe ich einen Kontrabass noch nie gehört!…“
So der Kommentar einer Pianistin/Dirigentin.
Mich erstaunt, dass im Philharmonischen Orchester Heidelberg diese Klangvorstellung bei meinen Kollegen überhaupt nicht beliebt ist. So hat ein Kollege sogar ein Aufbaustudium bei Professor Jörg Linowitzky begonnen, als er seinen Dienst in Heidelberg begann, während ich zu der Zeit besonders im Orchester 70 Prozent aller Passagen in meine “ Daumen-Kapodaster-Lagen “ verlegte.
Durch diese Spielweise muss ich wegen eines Halbtons nur einen Finger höher oder tiefer setzen, bleibe aber mit dem Daumen wo ich bin. Mit dem Denken nach Simandl/ Jörg Linowitzky muss ich jedoch ständig einen Lagenwechsel machen, muss eigentlich ein Virtuose sein.
Mein Lieblingsbeispiel dafür ist die h-Moll Suite von Johann Sebastian Bach. Da hier wegen der Moll-Tonalität ein ständiger Wechsel stattfindet, besonders zwischen g/gis und a/ais, muss der Simandl-Liebhaber ständig ( und sehr schnell ) die Lagen wechseln und dann noch vom gis auf der G-Saite schnell in die erste Lage für das fis auf der D–Saite und ruckzuck wieder in die gewöhnliche Lage zum gis. Und das hört überhaupt nicht auf.
Und viele Flötisten haben schnelle Finger. Ich habe schon Cellisten neben schwitzen “ gehört „, während ich mich bei den längeren Fugato-Passagen überhaupt nicht bewegt habe, sozusagen nur mit einem Finger geschnipst habe, einen kleinen oder einen grossen Tanzschritt vollführte.

Francois Rabbath’s „Nouvelle Technique de la Contrebasse “ das Cello – Paradies mit der Rabbath Technik und den Genssler “ Rabbath Saiten Golden Label “

Ein langer Weg der Suche und des Wartens ist vorbei.
Die Rabbath Technik, von mir auf das Cello übertragen macht Musik für mich ( und jeden anderen Anfänger der es wissen will ebenso ) auf eine Weise spielbar, die mir das endlos lange Üben erspart. Selbstverständlich nicht das Üben an sich. Der Unterschied zur herkömmlichen Ausbildung besteht darin, dass ich auf herkömmliche Weise nur das übe, was ich gerade an Noten vor mir habe. Mit der Rabbath Technik übe ich quasi “ einmal “ für alle weiteren Stellen.

Und jetzt kommt noch das Sahnehäubchen oben drauf: Die Genssler Saiten für Cello “ Golden Label „. Das Klangparadies für Michael Schneider.
Aber auch das gibt es nicht geschenkt. Ich bekam den neu entwickelten Satz und nahm sofort die A-Saite wieder ab: So geht das nicht, die macht zu schnell schlapp ! – war mein erster Impuls. Beschwerde bei Gerold Genssler. Lange Gespräche. Dann reisst meine alte A-Saite, die auch von Gerold stammt. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als die neue Original-Saite wieder aufzuspannen.
Seit vielen Jahren predige ich vielen Menschen, meinen Kindern und Schülern: meistens bist du das einzige was du ändern kannst. Also habe ich mich daran erinnert und inzwischen weiss ich: diese A-Saite erlaubt kein ungehobeltes Verhalten. Immer schön zart an die Saite. Aber dann: jetzt geht da tierisch die Post ab und ich möchte sie nicht mehr missen.
Nach meinem letzten Konzert im “ Querklang am Berghang “ in der Evangelischen Bergkirche Schlierbach erhielt ich Komplimente: “ Sie spielen so schön “ – dabei liegt das gar nicht an mir, das sind die Saiten, die mich und mein Publikum verzaubern. Nachdem ich gelernt habe, mit den neuen Saiten umzugehen und besonders der A-Saite meinen Respekt zu zollen, geht da nichts an Kraft und Energie verloren, es wird nur auf eine andere, sorgfältigere und achtsamere Art ausgeführt. Der Dirigent Mario Venzago erklärte mir einmal, wie barocke Spielweise geht: “ Einfach noch viel schöner spielen als normal „. So darf der Leser das hier auch verstehen. Einfach den Bogen auf die Saiten, ordentlich drücken und dann los-sägen, das geht eben nicht mehr.

François Rabbath – der Zen Meister der Musik und des Kontrabasses.

Wer etwas anders machen möchte, der hat es nicht leicht. Eine fest eingefahrene Spur gibt leicht und freiwillig nicht den Weg frei für eine Richtungsänderung.
Über meine musikalische Weggabelung habe ich auf dieser Seite schon viel geschrieben, die begann 1991 mit meinem musikalischen Zweit-Studium bei François Rabbath.
Das löste sehr schnell Gegenreaktionen aus, die ein Kollege zusammenfassend so formulierte: “ Verlass uns nicht, bleib doch bei uns. “
Leid und Elend, so wie “ Pomp “ und “ Circumstances “ dieser 25 Jahre, die inzwischen mehr als Zweidrittel meines Orchester Berufslebens ausmachen, möchte ich meinen Lesern in den folgenden Aphorismen widerspiegeln.

Wahnsinn ist, immer dasselbe zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Wer will findet Wege, wer nicht will findet Gründe.

Wenn ich immer nur das tun würde, was von mir erwartet wird, könnte man auf meinen Grabstein schreiben: mein Leben hat allen gefallen, nur MIR nicht.
Udo Lindenberg drückt das so aus: Nimm dir das Leben und lass es nicht mehr los, denn alles was du hast ist dieses eine blos.

Ein Optimist liegt genauso oft falsch wie ein Pessimist, aber der große Unterschied ist, dass er eine Menge mehr Spaß hat.

L‘ homme est la seule créature qui refuse d’être ce qu’elle est. ( Albert Camus )

Bewege dich im Leben, sonst bewegt das Leben dich. Nur durch eigene Bewegung bewegt sich was in deinem Leben.

Der Mensch stolpert nicht über Berge, sondern über Maulwurfhügel.

Zufällig, gerade gestern telephonierte ich mit einer Pianistin/ Dirigentin. Ich empfahl ihr unter anderem unsere Web Seite: lyrik-kontra-bass.de
Dort gibt es auf einem Video mit Stefan Hölscher und mir “ Reitba“ von François Rabbath.
Plötzlich hörte ich die Bemerkung: „……. oh, ich höre gerade nebenher den Francois Rabbath…. mann, ist DAS schön gespielt – so schön habe ich einen Kontrabass noch nie gehört!…“

Falls ich es bis dahin noch gewusst haben sollte, spätestens jetzt weiß ich, der Weg war richtig, es hat sich gelohnt.

Und was hat dies mit “ Zen “ zu tun?
Francois Rabbath hat mir von der ersten Stunde an immer wieder den folgenden Satz mit auf den Weg gegeben:“ Tu auras l’habitude d’un virtuoso „
Ich übersetze: du wirst das Lebensgefühl eines Virtuosen haben.
Für dieses Gefühl, für diese Lebenseinstellung brauche ich keine Preise oder Bescheinigungen. Wer mehr darüber wissen möchte, dem empfehle ich das Buch von Alfred Herriegel: “ Zen in der Kunst des Bogenschießens „.

Genssler Saiten – für wen ? Wiederholung: Genssler-Rabbath Saiten – für wen ?

Michael Schneider hat immer wieder neue Kontinente gesucht und musste folglich viele alte Kontinente aus den Augen verlieren.
Das überzeugendste Argument für eine Umorientierung auf dem Kontrabass erhielt ich ausgerechnet von meiner Schwiegermutter.
Ich übte das Bottesini h-Moll Konzert. Meine Schwiegermutter betrat den Raum und fragte mich: “ Warum müssen die Kontrabassisten denn immer so hoch spielen? “
Michael Schneider war schwer beleidigt. Ich übersetze das für den Leser: das klingt ja überhaupt nicht gut wenn du auf dem Kontrabass in den hohen Lagen spielst oder gar am Ende des Griffbrettes.
Jahre später.
Wieder war ich beim Üben, in diesem Fall jedoch beim Hören des Concerto Nr.2 für Kontrabass und Klavier von Francois Rabbath. Rabbath spielte auf der CD gerade die Kadenz, eine freie Improvisation. Genau diesen Moment erwischte meine Schwiegermutter und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus über die faszinierenden Klänge und diese Klang Kultur.

Was war geschehen? Worin lag der Unterschied zwischen “ meinem Bottesini “ und der Komposition von Rabbath?
Dem liegt eine ganz andere Spielkultur zu Grunde. Ohne Bogendruck, sondern nur mit dem Arm- beziehungsweise Bogengewicht zu spielen und das alles mit weicheren Saiten – damals noch mit den Corelli Medium Saiten – das erlaubt, die Saiten sehr tief zu legen, ohne dass es dabei scheppert.
Auch mit den Pirastro Saiten beherrscht Michael Schneider beim Einrichten die Kunst, die Saiten so tief zu legen, dass es möglich ist, an jedem Punkt des Griffbrettes zu spielen, ohne dass die Saiten scheppern.
Wer zum Beispiel im Orchester darauf besteht, dass Lautstärke nur mit enormem Druck zu erzeugen ist, der ist auf diesem Kontinent fehl am Platze.
Enormer Druck erzeugt jede Menge hässliche Geräusche, aber keinen sonoren Ton.
Hinzu kommt noch die Qualität des Ton Ansatzes. Die meisten Töne bei den Kontrabassisten  beginnen mit einem knarzendem Ton, mit Kratzgeräuschen, aber nicht sofort mit dem reinen Ton.
Eine Therapiestunde für alle Kontrabassisten könnte sein, dass sie auf der Geige lernen, einen kratzfreien und sonoren Ton zu erzeugen. Dann kann man sie wieder an den Kontrabass schicken und bitten, mit diesem Bewusstsein, mit diesem Anspruch an den Ton auf dem Kontrabass das Geigenspiel zu wiederholen.
Ähnlich ergeht es den Kontrabassisten und Kontrabassistinnen, die sich für die Genßler Saiten interessieren. In der Regel beginnen Sie mit einem Kontrabass mit viel zu hohe Saitenlage und Pirastro Saiten. Irgendwann finden Sie in ihrer Unzufriedenheit meine Web Seite und erfahren etwas über die Genßler Saiten. Nach einem Telefonat sind alle restlos überzeugt. Um allen Interessenten auch das Gefühl zu vermitteln, dass ich ihnen nichts aufschwatzen will, biete ich Ihnen an, dass ich die Genssler Saiten nach einem Monat zurücknehme, sowie den handgefertigten teuren Saitenhalter aus Ebenholz.
Mir hat noch nie jemand etwas zurückgegeben, oder sein Geld zurück verlangt.
Meine Empfehlung geht also insbesondere darin, dass Anfänger, auch und besonders späte Anfänger oder Anfängerinnen sich für diese Saiten interessieren.
Solche Spieler, die vielleicht studieren oder schon Berufsmusiker sind, die haben in der Regel durch sehr hartes Training genügend Muskelkraft um den Saiten Widerstand und eine hohe Saitenlage durch Kraft zu kompensieren.

Wollen sie sich jedoch umorientieren, dann müssen sie sich sehr viel Zeit lassen für eine mentale und besonders körperliche Einstellung auf diese neue Leichtigkeit. Wer Kontrabass-Arbeiten gewohnt ist, der kann nur schwer einsehen, dass etwas plötzlich sehr leicht ist und es bisher nicht sein durfte.

Ein Kontrapunkt der Kulturen – ein Kommentar zum Osvaldo-Golijov-Projekt von arkestra convolt am 29/30 Januar 2016

A Counterpoint of Cultures:
“ Most people are principally aware of one culture, one setting, one home; exiles are aware of at least two, and this plurality of vision gives rise to an awareness that – to borrow a phrase from music – is contrapunctual “
Edward Said, from Reflections on Exile ( 2000 )

Das sind Worte wie Wasser auf meine Mühlen. Hochaktuell, brisant, Zündstoff zur Zeit, scheinbar wie eine Zeitbombe, vor der nun auch Frau Merkel zurückweichen muss.
Aber: das formuliert hier jemand mit einem musikalischen Fachausdruck:
K O N T R A P U N K T

Aus der Musik gar nicht mehr wegzudenken. Noch schlimmer sozusagen: ohne diesen hätten viele Komponisten wenig mit sich anzufangen gewusst, hätte es ihn denn nicht gegeben.
In der Musik ist dieser Kontra-Punkt nicht wegzudenken und das schönste und ereignisreichste Moment überhaupt.

Ein Abend gegen 18 Uhr am Gare de L’Est in Paris. Ganz Nordafrika ist dort versammelt und das Ergebnis der “ Vermischung mit Frankreich „. So viele schöne und interessante Gesichter finde ich dort zur “ After Work Party “ auf der Strasse, bevor sie dann alle ins Restaurant oder Kino verschwinden. Ich stelle mir die Franzosen ohne die Nordafrikaner vor, so wie wir sie aus Filmen kennen: Jacques Tati: “ Die Ferien des Monsieur Hulot „ zum Beispiel.

Zurück zur Musik: im musikalischen Bereich ist der Kontrapunkt – auf Deutsch: der Gegensatz ! ( richtig übersetzt ? ) – allgemein akzeptiert.
Im Orchester z.B. sieht das ganz anders aus, da wird grössten Wert darauf gelegt, dass alle den gleichen Strich spielen, sogar, dass jede Gruppe unisono konform mit allen anderen spielt.

Es geht in manchen Orchester-Gruppen sogar so weit, dass alle die gleichen Fingersätze spielen sollen oder müssen. Kontrapunkt als positives Gestaltungsmoment ist hier also nicht gefragt.

Ich zitiere mich und André Gide mit dessen Ausspruch:
“ Man kann keine anderen Kontinente entdecken, ohne die alten aus den Augen zu verlieren. „
Das habe ich als Leitmotiv meiner Webseite vorangestellt.

Aber wenn ein musikalischer Kontrapunkt die Musik belebt, dann könnte ein optischer Kontrapunkt das Publikum durchaus munter machen: Siehe da, die Kontrabässe streichen alle in die andere Richtung. Das fällt auf, das Publikum ist beschäftigt und munter.

Ich erwähne dies nur, weil vor ungefähr einem Lebensalter die Gleichschaltung äusserlich wie innerlich nicht nur in Deutschland höchste Priorität hatte.

Was macht Coralie Wolff, wenn Michael Schneider “ Spagnelo “ für Kontrabass Solo von Olga Magidenko spielt ?

Was macht man so in den Pausen ? Zeitung lesen z.B., sich die Hände waschen, also: raus aus dem Kirchenraum, rein in die Sakristei und mit trockenen Händen wieder zurück. Oder: Coralie Wolff schminkt sich, wie Sie auf dem Bild erkennen können.
Das alles erleben Sie am 17. Juli um 20 Uhr in der Evangelischen Bergkirche Schlierbach, Wolfsbrunnensteige 7.
Damit Coralie Wolff reichlich Gelegenheit für persönliche “ Nebentätigkeiten “ während der Performance hat, spielt Michael Schneider auch noch “ Odyssee d’eau “ und “ Reitba “ von Francois Rabbath.

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Tolles Photo nicht wahr ? Erinnert mich an den Film “ Funny Bones „. Anders ausgedrückt: ein weiterer spannender Abend in der Bergkirche erwartet Sie.