Die Breite Seite besucht den Querklang – der Querklang besucht die Breite Seite am 5. Mai um 20 Uhr.

Die Breite Seite Nummer drei “ verdrängt an Häufigkeit die 35 Jahre “ Philharmonisches Orchester Heidelberg “ auf meiner Webseite.
Michael Schneider war nie ein Linker. Aber jetzt höre ich mich reden: Wir exportieren unsere Waffen an Diktatoren in Länder, damit wir im Wohlstand leben können. Dafür unterdrücken und morden diese Diktatoren ihr Volk. Und nun wundern wir uns, dass die Opfer uns um Hilfe bitten. Aber der geistige “ Nazi-Geiz “ lebt unter uns immer noch.
Grenzen dicht machen, geht uns nichts an. Das “ Aal-Prinzip “ gilt: durchwursteln, Probleme vermeiden, abschieben, an andere delegieren.
Wo landet unser Müll ? Warum muss in armen Ländern zu Hungerlöhnen für uns immer billiger produziert werden ?
Bert Brecht: Nur wer im Wohlstand lebt lebt angenehm angenehm.
Als ich 1991 mit einem Zweitstudium der Rabbath-Technik in Paris begann, da glaubte ich nicht daran, dass ich das lernen kann. Ich habe es einfach getan, die Antwort an das Ergebnis delegiert.
Und jetzt tue ich es wieder, eine neue Freundin im Geist, meine Betreuerin vom DRK Rhein Neckar macht mit: für die Flüchtlinge.
Wo das hinführt, ob das Sinn macht, das können wir erst später, mit Abstand sehen. Aber wir versuchen, wir suchen.
29. April 2016: Sieben Flüchtlinge aus der Breiten Seite Nummer drei konnten mit einem Bereitschaftsbus des DRK Rhein Neckar zum Galakonzert in die Bergkirche gebracht werden.
Abdularahman klärte mich in der Pause auf: “ So etwas habe ich noch nie gehört „. Michael Schneider hat ihm in der Aufregung verschwiegen, dass es der vollen Kirche an diesem Abend genauso erging.
( Dorle Ferber und Paulina Tyszka waren die beiden Sängerinnen, die mit ihrer musikalischen Solidarität eine Kraft verströmten, die ich, Michael Schneider in 35 Jahren am Theater und Orchester Heidelberg und auch anderswo so nie erlebt habe).
Am 5. Mai 2016 um 20 Uhr kommt die Retourkutsche: arkestra convolt kommt in die Breite Seite Nummer drei und bietet fünfhundert Flüchtlingen Musik an, die sie noch nie gehört haben. Ob sie das dann hören möchten ? Que serra ? Whatever will be ?!?!?!?!?!?
Sie haben fleissig meine Berichte verfolgt? Dann wissen und kennen Sie meine Fisch-Schwarm Gedanken.
Oder denken Sie an den Hundertjährigen der aus dem Fenster stieg und verschwand. Ein sich immer wiederholender Satz war: “ Es kommt wie es kommt und so kommt es dann auch „.

Die berühmte “ Breite Seite Nummer drei “ in Sinsheim. Verschnaufpause und Neustart in den Versuch einer Integration. Das DRK Rhein Neckar und der Profi Michael Schneider basteln an einer neuen Welt.

Heute ist der 27. April 2016.
Wieder neues Wachpersonal.
Der Chef der Security Leute gibt Anweisung, dass mein Kofferraum ganz besonders untersucht werden soll. In dem hinteren Raum meines Passats befinden sich aber nur meine beiden Windhunde. Also gibt es dort auch nichts zu verstecken. Mein Namensschild am Revers reicht also nicht zur Legitimation.
Aber auch sonst ist heute alles ganz anders.
Die Sofagarnitur in der Halle vor dem Großbild Fernseher hat sich enorm vermehrt. Alle Plätze sind restlos belegt, der Film muss sehr interessant sein der gerade läuft.
Dafür war mein Raum 1 leer und blieb auch leer. Das ist einer der drei Räume für soziale Projekte, also der so genannte Musikraum ( jeweils mittwochs ab 16:30 Uhr ).
Also: Abflug in Richtung Heidelberg. Den Schlüssel von Raum 1 im Schlüsselkasten deponiert. Da schüttelt mir der spirituelle Anführer der Trommelgruppe der Gambianer die Hand und bedeutet mir, dass er gleich zum Jammen komme.
Also, Schlüssel wieder raus, Raum 1 wieder neu belegt. Aber irgendetwas muss dazwischen gekommen sein, heute habe ich ihn dann nicht mehr gesehen. Stattdessen tauchte dann der Syrer Abdulrahman mit seiner Gitarre auf. Zwei Gitarrenstunden standen nun auf dem Programm, begleitet von zwei interessierten Zuhörern.
Michael Schneider kennt von Sprachschülern in seinem Haus in Heidelberg, dass sie immer wieder nickend ja ja ja gesagt haben, in Wirklichkeit aber gar nichts verstanden haben.
Und so ist mir, wie übrigens auch meiner Betreuerin vom DRK Rhein Neckar immer noch nicht klar, welche Magnetfelder wann und wie auf den Fischschwarm einwirken. Der Fischschwarm, das sind die jungen Männer aus Afghanistan, Syrien und Gambia.
Das ist jetzt hier keineswegs der Bericht eines beleidigten Profis, dessen Angebote heute ausnahmsweise nicht voll wahrgenommen wurden. Meine Betreuerin hatte mich von Anfang an vorgewarnt, dass man nie wissen könne, wie es sich beim nächsten Mal gestaltet.
Das “ nickende Ja “ spielt am Freitag den 29. April eine wichtige Rolle. Meine Betreuerin vom DRK hat für Freitag einen Transport für 7 Flüchtlinge von Sinsheim nach Heidelberg in die Bergkirche organisiert für das grosse Galakonzert in der Bergkirche. Einer der Trommler der letzten Woche hat fleissig nickend die Einladung zur Kenntnis genommen und interessiert genickt. Auch die drei Afghanen aus der heutigen Gitarrenstunde nickten fleissig

Der Philharmoniker Michael Schneider war als Profi zu Besuch in der berühmten “ Breiten Seite Nummer drei “ in Sinsheim, Flüchtlingsheim, den ehemaligen Messehallen.

Heute war schwer auf das Gelände zu gelangen. Andere Sicherheits Männer am Eingang trauten meinem Namensschild vom DRK Rhein Neckar nicht.
Neue Ausweiskontrolle, alle Daten werden schriftlich fixiert, Autonummer wird notiert, An und Abfahrtszeit wird auf die Minute genau protokolliert.

Wieder viel Aufmerksamkeit von vielen Flüchtlingen, auch von Gesichtern die ich noch nicht kenne. Viele helfende Hände, so viel kann ich gar nicht mit bringen um alle diesbezüglich zufriedenzustellen. Aber diesmal habe ich zwei vernünftige Instrumente mitgebracht, eine Solo und eine Bass Djembe.
Aber niemand da, es ist 18:00 Uhr und niemand ist da außer die helfenden Hände.
Ach ja, wie heißt es bei Deutschen Akademikern: Ct.
Also Cum tempore!!!
Also tauchen sie um viertel nach sechs alle auf, fünf junge Männer aus Gambia und einige aus Afghanistan.
Sagte ich, der Profi sei heute zu Besuch bei den Flüchtlingen in Sinsheim?
Heute habe ich fünf Profis aus Gambia kennen gelernt. Die fünf Gambianer kamen nicht als eingespielte Truppe nach Sinsheim. Trotzdem: so haben sie gespielt. 120 Minuten ohne Pause, hoch konzentriert und eine geballte männliche Energie.
Wollen Sie wissen wo die herkam?
Die kam aus 5000 Jahren afrikanischer Geschichte, aus dem afrikanischen Boden.
Ich habe sie hinterher gefragt, wo sie das gelernt hätten. Der – natürliche – Stimmführer der fünf Trommler antwortete: ich trommle seit 25 Jahren.
Sie ahnen, wie alt der junge Mann ist: 25 Jahre.
Diese Power Naturburschen bekommen das einfach mit auf die Welt gegeben.
Aber ich möchte meine jungen afghanischen Freunde nicht vergessen. Sie haben einen ganz anderen Trommelstil, beim Musizieren nicht so aus dem Bauch und dem Erdboden heraus.
Aber sie haben beim Musizieren eine sehr temperamentvolle und ausgelassene Freude, geradezu Lebensfreude gezeigt. Das setzte sich dann später fort bei anderen afghanischen Zuhörern, die anfingen gemeinsam zu tanzen.
25 Männer waren irgendwann im Raum versammelt. Wie schon beim letzten Jammen waren die Security Männer nicht nur Zuhörer sondern selbst trommlerisch aktiv. Nicht nur heiße Musik erfüllte den Raum, sondern auch sehr dicke Luft nach 1 Stunde Jammen ohne Pause.
Um das Schlimmste zu verhindern gab mir ein neu hinzugekommener Security Mann den Wink, doch ein Fenster ziemlich weit zu öffnen.
Dieser Hinweis ermöglichte dann ein zweistündiges Musizieren.
Das weit geöffnete Fenster lockte von draußen viele Zuhörer an und auch dort gab es einige Tänze von jungen afghanischen Männern.
Während ich versuchte laustärkemäßig mit meinem Cello mitzuhalten bei so vielen kraftvollen Trommlern, erfreute ich mich an dem ausgelassenen Temperament der vielen tanzenden afghanischen Männer, die so unbefangen und scheinbar so glücklich den Moment des Lebens spontan wahrnehmen und genießen können.
Und zum nota bene: seit heute bin ich kein Profi mehr, sondern nur noch ein Lernender.

Profis zu Besuch in der Breite Seite Nummer drei in Sinsheim am 20. April 2016.

Zunächst einmal wurde ich heute von meiner Betreuerin vom Deutschen Roten Kreuz befördert indem sie mir einen Schlüssel überreichte, der es mir ermöglicht, meine Aktivitäten und deren Dauer selbst zu bestimmen.

Als nächstes schlug sie mir vor mit den jungen Männern doch gemeinsam und nicht frontal sondern gemeinsam mit allen zu musizieren.
Michael Schneider arbeitet jetzt täglich an der Erweiterung seines Repertoires von Renaissance bis in die Moderne um sich bei seinen einstündigen Konzerten in Sinsheim nicht zu wiederholen. Also gut, hier ist ja alles möglich, lässt du dich halt darauf ein, was kann das schon werden, ein paar Trommeln und ein einsames Cello?
Doch dann wieder, wie jetzt jedes Mal war Überraschung angesagt.
Heute war anscheinend Vollversammlung.
So um die 20 junge Männer füllten den Raum, heute zur Hälfte aus Afghanistan, die anderen aus Afrika.
Kaum hatte ich ausgepackt, da saß ein junger Afrikaner neben mir und begann zu trommeln. Wir schauten uns dabei tief in die Augen und begannen zu improvisieren.
Dieses Duo erweiterte sich in wenigen Minuten zu einem großen Trommel Ensemble.
Die dann sich ergebenden drei großen Sets dauerten insgesamt 70 Minuten.
Dabei überließen die jungen Männer Michael Schneider die Vorgabe von Stimmungen oder Rhythmen.
Nach 70 Minuten ziemlich heißer Stimmung und auch vielen Zuhörern inzwischen vom Security Personal muss ich sagen, dass ich so ein beglückendes Gefühl schon erlebt habe, aber die Selbstverständlichkeit und Sinnlichkeit dieser Trommler Gemeinde mit einem einsamen Cello spiegelte mir die andere Art einer impulsiven Lebens und Spiel Kultur.
So haben meine neuen Freunde mich beschenkt, herausgefordert was ich niemandem zumuten würde: 70 Minuten freier Impulse durch Rede und Antwort in einem Dialog durch Blickkontakt und Zuhören.
Ich schenke diesen Flüchtlingen, diesen liebenswerten jungen Männern meine Liebe und meine Zeit. Aber wer beschenkt hier eigentlich wen? 70 Minuten wurden gefüllt mit intensiver Impulsivität, kraftvoller Lebensfreude und ich kann diese Sehnsucht, diese Kraft nicht richtig in Worte fassen.
Ganz klar weiß ich: mein Dank geht an meine Betreuerin vom DRK, die in ihrer wunderbar natürlichen Art einen Konsens herstellt der Allgemeingut sein sollte inmitten unseres Reichtums.

Die Magie des Klanges der Genssler Cello Saiten.

arkestra convolt Neckargemünd

Als “ Profi zu Besuch “ spielt Michael Schneider in der siebten Woche jeweils am Mittwoch ein 70-minütiges Konzert für die Flüchtlinge in der “ Breiten Seite Nummer drei “ in Sinsheim. Dafür muss das Repertoire aufgefrischt und erweitert werden.
Was hat das mit der Magie des Klanges zu tun ? Zum Beispiel das C-Dur Präludium der dritten Bach Suite für Cello. Nach vielen Tonleiter Melodien komme ich zu den Akkord Arpeggien und traue einen Ohren nicht. Ich höre Klänge, die meine Seele berühren, die meine Ohren begeistern und schwelge in einem Klangrausch sondergleichen.
Sie denken falsch, ich bin nicht der Grösste. Mein Cello wird von meinem Geigenbauer als Schrott eingestuft, sprich ca 1200 Euro beträgt der Wert.
Aber der Gitarrenvirtuose Willy Burgos sagte zu diesem Cello: du hast einen ganz besonderen KLang.
Und das hier ist meine These: Ich brauche kein Gofrilla Cello. Ein billiges aus Hongkong reicht, wenn ich die Golden Label Genssler Saiten spiele, um den anderen Klang zu bekommen, wenn ich denn das Ohr dafür habe. Das ist keine Polemik. Die ersten “ anderen „Saiten, die Gerold Genssler mit 2010 schenkte kosteten mich sechs Monate Geduld um mich unsterblich in sie zu verlieben. Dann war klar, wie bei der Liebe: für immer ! Die hielt fünf Jahre, dann war die D-Saite gerissen. Dann kamen die neuen Golden Label Saiten für Cello. Die A-Saite nahm ich sofort wieder ab. Unspielbar. Die alte A-Saite von 2010 kam wieder drauf. Leider riss sie dann auch bald. Inzwischen hatte Gerold mir eine andere, robustere A-Saite geschickt. Auch die flog sofort wieder von meinem Cello, dann lieber die orignale und empfindlichere Saite.
Inzwischen schrubbe ich damit jede Olga Magidenko Komposition sowie Heavy Metal Effekte und Balkan Jazz bis zum Herzinfarkt – des Publikums wegen Ergriffenheit.
Nada Brahma – Musik ist Klang. Wer das verstanden hat, der passt sich Gerolds Saiten an und verlangt nie wieder, dass die Saiten den eigenen Vorstellungen entsprechen müssen.

Profis zu Besuch – der Philharmoniker Michael Schneider bringt seine Leser auf den neuesten Stand über die berühmte “ Breite Seite Nummer drei „.

Über den heutigen Mittwoch ist zu berichten, dass auf jeden Fall die Security Männer vollzählig anwesend waren – Sie merken schon, hier spricht der deutsche Pedant.
Die Flüchtlinge, die jungen Männer sind jedenfalls sehr wohlerzogen und hilfsbereit. Kaum verlasse ich den Wagen und beginne meine vielen Instrumente auszupacken, schon gibt es hilfreiche Hände, die mir alles abnehmen und in den Vortragsraum tragen. Das war jetzt bei jedem Besuch so. Aber in meinem Musizierraum herrscht gähnende Leere. Trotz bewölktem Himmel und nur 11° im Freien sehe ich keine Zuhörer und es wollen sich heute auch keine einfinden.
Letzte Woche noch wollte jemand unbedingt Cello lernen und ich versprach ihm, eines mit zu bringen. Und der Afrikaner der so gut Djembe spielt, das hatte er mir letzte Woche auf seinem Handy mit einem Musik Film bewiesen, der wollte heute unbedingt mit mir improvisieren mit der Djembe, die ich mitbringen sollte. Beide waren heute nicht da.
Wenn ich 20-jährige Männer aus Syrien und Afghanistan noch als Pubertisten bezeichnen darf, dann handelt es sich anscheinend tatsächlich um solche – meine eigenen Pubertisten haben sich auch öfters mit ihrem Vater verabredet und es dann schlicht weg vergessen, obwohl ich für sie gekocht hatte, beziehungsweise haben sie ganz spontan eine Verabredung abgesagt. Ich will damit sagen, ich nehme das alles sehr gelassen und bin nicht nachtragend.
Aber meine beiden Gitarrenschüler erschienen und noch ein dritter, der Syrer, Abdul Rahman.
Also beschloss ich, dass wir 120 Minuten, das sind zwei volle Stunden, Gitarrenunterricht machen.
Abdul Rahman hat sich aber noch bevor er eine Gitarre in die Hand bekam vorgestellt, dass er doch dann dreimal in der Woche Unterricht haben möchte. Ich erklärte den dreien, dass ich zu geizig sei um dreimal in der Woche nach Sinsheim zu fahren. Zweimal würde ich durchaus investieren, aber das dritte Mal müssten sie nach Heidelberg kommen.
Die Lösung für die dritte Stunde hat sich dann im Unterricht von selbst angeboten. Mir kam die Idee, dass sie die dritte Stunde selbst gemeinsam durchführen sollten, indem jeder dem anderen hilft, bis zur nächsten Unterrichtsstunde mit mir alle drei auf das gleiche Niveau zu bringen, damit wir alle auf gleichem Niveau gemeinsam in den Fortschritt starten können. Zwischendurch rief dann noch der Imam zum Gebet. Der kommt heute – ganz modern, oder wie sagt man: up to date – aus dem Handy, so als Klingelzeichen. Das hat mich an die mongolischen Mönche erinnert, die ich vorher schon erwähnt hatte.
Werde ich alt? Der Name Asim, der war gleich bei mir angekommen, aber Malikzada oder Abdulrahman, die musste ich mir erst einmal notieren und nachlesen. Ich weiss jetzt auch wieder, wie sehr sich meine jungen Freunde bemühen. Weiss aber auch, wie schwer Neues und Komplexes in ein unbetretenes Schneefeld im Gehirn zu einem leicht gangbaren Pfad umzuwandeln ist.

Flüchtlinge in Sinsheim “ Breite Seite Nummer drei „, der Profi zu Besuch : Michael Schneider und was Nicoleta Craita Ten’O dazu sagt.

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Ich heiße Nicoleta Craita Ten’o, ich bin am 16 März 1983 in Galati, einer rumänischen Großstadt an der Donau geboren und aufgewachsen. Als Kind war ich scheu, aber fröhlich, und vor allem ganz gern für mich allein. Jede freie Minute nutzte mein kindlicher Verstand um sich in die eigenen Phantasie zu begeben, ich weiß noch, wie die kleinsten Dinge mich zu einer Geschichte anregten und dass ich nie gezögert habe, mich von den jeweiligen Geschichten gefangen nehmen zu lassen, auch wenn ich dadurch viele Stunden einsam verbrachte. Als Kind war mir die Familie wichtig. Genau so wichtig war die Schule für mich. Die Schule war mein zweites Zuhause. Ich liebte meine Lehrerinnen, ich liebte das Lernen. In den ersten Grundschuljahren hatte ich die Angewohnheit, den Inhalt des nächsten Unterrichts im Voraus, zu Hause aus dem Schulbuch zu lernen. Meine damalige Lehrerin schätzte diesen Einsatz und belohnte mich dadurch, dass ich, mit ihr zusammen die Klasse unterrichten durfte. Die Schule war der schönste Ort der Welt für mich. Ich war nicht sehr kontaktfreudig und verbrachte sogar die Pausen mit Vorbereitungen für die nächste Unterrichtstunde, aber diese Aneignung von Kenntnissen, die dazu führte, die Welt etwas besser zu verstehen und die Anerkennung, die ich dadurch erhielt, waren meine heile Welt, mein eigenes Planet der Rosen. 1996, im Alter von 13 Jahren, bin ich, nach einem traumatischen Erlebnis, aus meinem Leben ausgeschieden, ich bin innerlich zerbrochen, habe das Sprechen eingestellt, die Menschen machten mir auf einmal Angst und ich wünschte mir zu sterben. Ich war nicht mehr in der Lage, die Schule zu besuchen, ich habe viele Jahre einfach nur im Bett gelegen, mit einem Heft und einem Stift auf dem Kopfkissen – ich schrieb Gedichte. Und ich schrieb sie überm Kopf, aus dem Bauch heraus, oder auch mit Tränen in den Augen. Ich schrieb sie, weil ich nicht anders konnte – ich lag im Bett und schrieb Gedichte. 2001 erhielt mein Vater, als Schiffbauingenieur, ein Arbeitsangebot in Hamburg. Es war nicht leicht, Rumänien zu verlassen, es war nicht leicht in Deutschland Anschluss zu finden. Mir persönlich tat die neue Umgebung sehr gut, ich öffnete mich und fing an, an einem geregeltem Alltag Teil zu nehmen. Durch das Schweigen und durch die Angst vor Menschen, war es mir nicht möglich einen Deutschkurs zu besuchen. Die Deutsche Sprache war mir vollkommen fremd, daher habe ich weiterhin auf Rumänisch gedichtet. 1999 wurde in Rumänien mein erster Gedichtband veröffentlicht, eine Sammlung aus den Gedichten, die ich im Liegen geschrieben habe. In Deutschland habe ich meinen ersten Roman verfasst, der ebenfalls in Rumänien veröffentlicht wurde. Das Buch beschreibt die Schwierigkeiten der Teenager-Zeit, die Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Ansprüchen an den jungen Menschen und die Entdeckung der eigenen Homosexualität. Weitere 5 Jahre nach der Veröffentlichung dieses Romans habe ich meine Texte auf Rumänisch verfasst, davon erblickten ein weiterer Roman und ein zweiter Gedichtband das Licht der Welt. Rumänien entfernte sich, aber, mit jedem Tag mehr und mein Herz schlug inzwischen für, in meinen Augen, den schönsten Ort auf dieser Erde, für meine neue Heimat Deutschland und für die Deutsche Sprache. 2009 habe ich den Entschluss gefasst, ausschließlich auf Deutsch zu schreiben. Die ersten Versuche waren mühselig. Ich habe bis zu 8 Stunden an einem Gedicht gesessen. Ich übersetzte Begriffe aus dem Rumänischen, schlug dann in Duden nach diesen Begriffen nach um den Artikel festzustellen und benutzte ein Grammatikbuch bei der Formulierung fast jedes Satzes. Mit dem Synonymenwörterbuch habe ich mein Vokabular erweitert. Heute noch brauche ich bei jedem Text solche Hilfsmittel. Das Entscheidende bei der Erlernung der Deutsche Sprache war, mein ganzes Denken auf Deutsch umzustellen. Ich träume inzwischen ausschließlich auf Deutsch und habe das Gefühl, dass ich schon immer Deutsch gesprochen habe, die Sprache habe ich jetzt im Blut. 2010 durfte ich mein erstes Buch auf Deutsch in den Händen halten – ein Gedichtband über Liebe. Auch die darauffolgenden Romane handeln von Liebe, nämlich von der Liebe zwischen zwei Frauen. Es ist ein sehr wichtiges Thema für mich und ich würde gern meinen kleinen Beitrag zu mehr Toleranz leisten, in der Hoffnung, dass die Gesellschaft sich bereit erklärt, mehr Verständnis dafür aufzubringen. Auch wenn die Berührungsängste noch da sind, sollte jeder von uns, denke ich, seinen eigenen Schalter umlegen, weil es nur eine Kopfsache ist, zu akzeptieren, dass es uns frei steht, uns den Menschen an unserer Seite selbst auszuwählen, unseren Weg unbehindert zu gehen. Meine Bücher auf Deutsch sind (mit Ausnahme meines letzten Buches), und dafür möchte ich mich entschuldigen, in einer fehlerhaften Sprache geschrieben – ich habe massige Grammatik- und Rechtschreibungsfehler gemacht. Ich bin nicht stolz darauf, ganz im Gegenteil.
Ich heiße Nicoleta Craita Ten’o, bin 32 Jahre alt, stumm, ich habe ein ganz skurriles Erscheinungsbild, ich wohne zusammen mit meiner Katze in Bremen und arbeite in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Ich schreibe immer noch jeden Tag an meinen Manuskripten. Meine Träume sind alle in Erfüllung gegangen – ich bin dankbar für dieses Land, für Deutschland, für die Menschen hier, die mich bedingungslos aufgenommen haben, für jedes Lächeln, das mir zugeworfen wird und für die Großzügigkeit derjenigen, die die Zeit und die Geduld aufbringen, meine Texte kennenzulernen. Vielen Dank!

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Der Solokontrabassist Michael Schneider spielt Cello. Dabei geht er nicht einmal fremd: Er ist Rentner und kann machen was er will. Das tut er sowieso schon immer. Und jetzt erst recht für Flüchtlinge.

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Lesen Sie hier mehr: Michael Schneider geht nicht nur regelmässig in ein Flüchtlingsheim in Sinsheim, der berühmten “ Breiten Seite Nummer drei „, er gibt dort auch noch gratis Gitarrenunterricht – ob es dabei bleibt, das wird sich zeigen – er ist auch zu Erweiterungen bereit: andere Instrumente unterrichten, gemeinsames Musizieren mit Flüchtlingen, Konzerte für die Flüchtlinge geben ? Alles inklusive um von unserem unverschämten Reichtum etwas an die Opfer zurückzugeben, die durch uns auf der Strecke geblieben sind.
Michael Schneider geht oft in Schulen, als “ Profi zu Besuch „. Einmal Profi – immer Profi. Also wird er das auch weiterhin tun. Immer wieder taucht dann die Frage auf, wie lange ich schon Musik mache. Dann antworte ich: 5000 Jahre. Gelächter: das kann doch gar nicht sein. Dann erzähle ich ihnen eine Geschichte von den chassidischen Juden. Die glauben, dass die Seele eines Menschen, bevor sie wieder reinkarniert wird, über eine Brücke gehen muss. Auf dieser Brücke steht ein Engel, der sagt: vergiss alles was du in den letzten 5000 Jahren gelernt hast. Die Seele vergisst und wird reinkarniert. Diese Juden glauben nun, dass es unsere Aufgabe in diesem Leben ist uns zu erinnern. Zu erinnern, warum wir hier sind, was hier in diesem Leben unsere Aufgabe ist.
Soweit die Geschichte.
Ich habe mich mit elf Jahren daran “ erinnert „, dass Musik mein Leben ist und habe dies seitdem konsequent verfolgt.
Danach lacht keiner mehr von den Schülern. Die meisten verstehen die Meta-Ebene dieser Erzählung, wahr kann auch sein, was nicht so konkret ist.
Und was verstehen die Flüchtlinge in Sinsheim, wenn sie Musik auf dem Cello und dem Bass hören, Musik von Johann Sebastian Bach, Weltmusik von Francois Rabbath ?
Ich wiederhole mich : meine Betreuerin vom DRK Rhein Neckar erzählt mir: diese jungen Männer befinden sich im Krieg. Ich kann mir das nicht vorstellen. Wir in Deutschland sind seit über 70 Jahren kriegsfreie Zone, für mich das selbstverständlichste auf der Welt.

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Das Bild das Sie hier sehen wurde aufgenommen nach dem Konzert im Oktober im Querklang am Berghang, nach der Lesung mit Nicoleta Craita Ten’O und ihrem Verleger Alfred Büngen.
Ich gebe hier noch einmal eine Selbstdarstellung von Nicoleta wieder, die für mich das beeindruckendste Dokument menschlicher Dankbarkeit darstellt, die ich mir in unserem reichen Land vorstellen kann, von einem Menschen, der Erlebnisse hat, die unsere vorstellbaren Dimensionen sprengen. Verfolgen Sie den nächsten Artikel: Nicoleta über sich.