Musiker und Musikant ein Einem, das ist Stefan Kirsch. Der Solokontrabassist Michael Schneider hat die Ehre, am 8. April 2016 um 20 Uhr mit diesem excellenten “ Longhorn “ zu konzertieren.

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Wenn der Musiker und Komponist Stefan Kirsch eines seiner Stücke “ Fröhe Östern „ nennt, dann erwartet Sie an diesem Abend alles ausser Langeweile. Davon haben Sefan Kirsch , Michael Schneider und arkestra convolt überhaupt keine Ahnung. Vielmehr haben Sie die Gelegenheit zu verstehen, was mit dieser Formation erst möglich wäre, würden sie sich nicht nur zu einem all-jährlichen ad hoc Ensemble vereinigen. Aber genau dafür steht diese Konzertreihe, der “ Querklang am Berghang „, für die Erweckung Ihrer Sehnsüchte jenseits des Bekannten und Allzu-Vertrauten. Den Vergleich mit Veranstaltungen wie Heidelberger Frühling oder Enjoy Jazz scheuen wir dabei zu keiner Zeit.

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Der Profi Michael Schneider zu Besuch im Flüchtlingsheim des Rhein Neckar Kreises “ Breite Seite Nummer drei “ in Sinsheim.

Michael Schneider fährt vor. Eine riesige Halle, eingezäunt mit Metallgittern. Jede Menge schwarz gekleidete Security Männer am Eingang.
Ihren Ausweis bitte. Öffnen Sie bitte Ihren Wagen. Packen Sie dieses Instrument aus, wir möchten nichts falsch machen. Mein kompletter Bass wird auf Sprengstoff und Waffen untersucht. Mein Stachel, der im Köcher steckt wird begutachtet. Äußerst misstrauisch. Kommentar des Security Mannes: passen Sie auf, dass der Stock nicht in falsche Hände gerät. Mein Bogen Etui wird geöffnet. Dann wird der Wagen inspiziert.
Meine “ Betreuerin “ vom Deutschen Roten Kreuz hatte zuvor dafür gesorgt, dass ich auf das Gelände fahren darf. Sie erklärt mir diese Sicherheits Vorkehrungen. Sie erklärt mir, dass vorsorgende Kontrolle besser sei, als dass jemand eine Bombe auf das Gelände schmuggeln könnte.
Michael Schneider hat den Eindruck, dass hier die Flüchtlinge aus allen möglichen Krisenländern vor den Deutschen geschützt werden müssen.
Michael Schneider ist sehr sehr gerne ein “ Deutscher „, er ist aber genauso gerne für, auf der Seite der Flüchtlinge. Wenn sie hierbleiben, dann werden sie uns Deutsche bereichern, mit Intelligenz und Farbe.
Als die ersten Gastarbeiter aus Italien und dann der Türkei nach Deutschland kamen, da wollten, da brauchten wir sie nur als Arbeitskräfte in den Fabriken, weil wir Deutschen keine Lust mehr hatten dort zu arbeiten. Dass dann aber besonders die Türken in Deutschland blieben, als sehr engagierte Familien und Clan Menschen, da haben wir Deutschen einfach die synergetische Integration einer anderen Kultur verschlafen.
Ich bin Musiker, ich bin Welt Musiker, ich war und bin Jazzer. Dazu gehört die Neugier auf andere Kontinente, andere Kulturen und andere Hautfarben. Trotzdem hat Michael Schneider es in 35 Jahren in Heidelberg nicht geschafft, Kontakt mit türkischen oder arabischen Musikern im Rhein Neckar Gebiet aufzunehmen.
Erst diese Flüchtlingskrise hat mir die Pforten zu diesen Kulturen geöffnet. Ich rede von meinem Besuch im Flüchtlingsheim Breite Seite Nummer drei in Sinsheim.
Die Ouvertüre haben Sie bereits gelesen, wenn Sie an diesem Punkt angelangt sind.
Der Solo Kontrabassist Michael Schneider spielt, wie könnte es anders sein? Er spielt Johann Sebastian Bach, aus den Cello Suiten. Es folgt moderne poppig fetzige Cello Musik aus den USA. ( Mark Summer: Julie-O, Susanne Paul: Just Doodling, Osvaldo Golijov: Ainii Taqtiru ).
Dann packt Michael Schneider seinen Kontrabass aus und erzählt seinen Zuhörern, jungen Männern aus Afghanistan, Syrien und Afrika, er erzählt ihnen musikalische Jazzgeschichten und spielt “ Reitba „, eine Komposition des Bass Virtuosen Francois Rabbath. Er erzählt die Geschichte zu diesem Stück. Alle Zuhörer verstehen Englisch und hören gut zu. Die afrikanischen Männer glauben die Erzählung zu “ Reitba „. Das Stück erzählt von einem Abend an einem afrikanischen See. Ein echter König hatte Francois Rabbath dorthin eingeladen. Das Stück schildert den Sonnenuntergang, den aufkommenden Abendwind, der Wellen an das sandige Ufer treibt.
Die dunkelhäutigen Flüchtlinge waren zu Beginn, also während der Musik von Johann Sebastian Bach noch in dem Verhaltensmodus zur Zeit von Rossini, als das Publikum sich noch vehement und entspannt zur Musik unterhalten hat.
Gut, denkt Michael Schneider, dann spielst du jetzt wohl mal etwas leiser. Du spielst jetzt noch leiser bis hin zum gar nicht mehr. Und siehe da: es wird still im Raum. Und: es wurde immer stiller, auch nachdem es schon still war.
Jetzt hatten sie es begriffen und jetzt gab es für die Zuhörer kein Entrinnen mehr, sie hatten Feuer gefangen.
Danach: Gibst du Gitarren Unterricht? Ich möchte gerne Gitarre lernen. Ein Syrer: ich spiele Dschembe. Wenn du das nächste Mal eine Dschembe mitbringst, dann möchte ich mit dir Musik machen. Ein Flüchtling aus Afghanistan erzählt mir dass er Klavier spielt. Spielen kann. Kann er aber nicht mehr, weil sein Haus zerstört ist und er fliehen musste. Michael Schneider denkt sofort darüber nach, woher jetzt ein Klavier kommen könnte.
Zum Abschied wünschten sich einige der Zuhörer Gruppenphotos mit mir, mal Gruppe mit Kontrabass, dann Duos mit mir und Instrument.
Nach dem ersten “ Bach “ fragte ich meine Zuhörer:“ One more ?“
Einhellig nickende Antwort: “ One more „. Ein neuer Zuhörer sagt irgendwann: “ Two more „. Jetzt ist klar, ich muss nicht weiter fragen.

Michael Schneider im Rote Insel Salon – Berlin – am 18.3.2016 mit Werken von Olga Magidenko, Frank Proto, Francois Rabbath und Uli Kieckbusch.

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Der Solokontrabassist Michael Schneider lässt es sich seit seinem Dienstantritt vor 35 Jahren in Heidelberg nicht nehmen, neben seiner Dienstbezeichnung auch tatsächlich als Solist aufzutreten. Das Ergebnis, die Erkenntnis dieser ausgiebigen solistischen Tätigkeit sind einige Werke, die immer wieder begeistert aufgenommen werden auch von Zuhörern, die mit Neuer Musik sowie mit moderner Kontrabass Musik nicht vertraut sind.
Das erste “ erfolgreiche “ Stück ist Kadenza von Teppo Hauta Aho. Nicht umsonst ist es so berühmt wie gern gespielt, auch wenn der Komponist es nicht mehr hören kann. Für Michael Schneider ist es immer noch vorrangig vor der “ Pieni Bassophantasia „.
“ Spagnolo “ für Kontrabass Solo von Olga Magidenko wurde von mir vor zwei Jahren aus der Taufe gehoben und heimst seitdem in vielen Konzerten begeisterte Erfolge ein. Bei aller Sprödigkeit mit vielen tiefen Tönen und Doppelgriffen in tiefen Lagen überragt es musikalisch wie spieltechnisch das so hoch bewertete “ Hommage à Bach “ von Zbinden, bei dem ich nie Spielfreude entdecken konnte. Dieses Stück bezeichne ich als anstrengend und sehr bemüht, irgendwie kopflastig. Aber ich betrachte mich auch weniger als Musiker denn als Musikant. Also liegt diese Kritik wohl eher in meinem Wesen als am Stück.
Ganz still im Raum wird es immer wieder, wenn ich den zweiten Satz aus der Kontrabass Sonate “ 1963 “ von Frank Proto Solo spiele. Wenn kein Pianist zur Verfügung steht, dann empfehle ich jedem Solisten diesen Satz Solo zu spielen. Ich habe immer wieder den Eindruck, dass diese wunderbaren Bebop Phrasen ohne das – störende – Klavier viel klarer und eindringlicher in die Gefühle der Zuhörer eindringen. Knisternde Stille im Raum animiert mich zu dieser Darstellung.
Seit ich die Kompositionen von Francois Rabbath spiele hat sich in meiner Musik und der Spiegelung durch das Publikum etwas radikal geändert: Da wundert sich niemand mehr darüber, warum ich so hoch spiele. Diese Musik vermittelt alles andere als den Eindruck, dass da einer versucht besser als die Cellisten zu spielen. Das ist einfach Musik vom, für den Kontrabass. Musikalisch glaubwürdig, authentisch sozusagen. ( Und als Geheimtip für neugierige und suchende Bassisten: Genssler Rabbath Saiten verwirklichen alle Träume die ihr Bassisten noch nie hattet. )
Und jetzt folgt noch Uli Kieckbusch: Freund und begnadeter Komponist, sowie Urgrossneffe von Johannes Brahms.
“ Tänka Pa Ko „, ein Blues der ihm in Finnland in den Sinn kam. Auch dies ein stilles Stück, das mein Publikum immer wieder noch stiller werden lässt.
Meine – spontane – Erkenntnis beim Schreiben in diesem Moment: Stücke, die einfach nur Musik sein wollen, die eine Geschichte erzählen, unprätentiös, also noch einmal : authentisch: die werden dankbar an- und aufgenommen. Das Gehirn versteht, wird aber nicht berührt. Darum haben wir das Wort: kopflastig.

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Robert Frost – mein Favorit – noch besser als Hans-Georg Gadamer ? Aber ich liebe auch Wilhelm Busch und Friedrich Doldinger.

Yordan Kamdzhalov – ein No Go in Heidelberg, vom OB über die Verwaltung bis in das Theater und Orchester: absolutely : NO GO AREA.
Atomar verseuchte Zone. Wer verstossen werden will, der betrete diese Zone. Da hat einer meiner “ Lieblingslyriker “ – Robert Frost – aber Glück, er lebt nicht mehr. Dabei tue ich dem Philosophen Hans-Georg Gadamer mit meiner Überschrift eigentlich Unrecht, denn er hat vor Schülern einmal formuliert: “ Toleranz ist, wenn man aus der Sicht des anderen denkt „.
Robert Frost hat das so formuliert: “ Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der andere könnte am Ende doch recht haben „.
Aber wer will seine bekannten Horizonte gerne aus den Augen verlieren ? Da könnte das gesamte Philharmonische Orchester gleich zu meinem Lehrer nach Paris fahren und sich “ umschulen “ lassen: technisch, mental, spirituell.
Hier noch ein weiteres Zitat von Robert Frost: “ Bildung ist die Fähigkeit, fast alles anhören zu können, ohne die Ruhe zu verlieren oder das Selbstvertrauen“.

Einen ganz anderen Aspekt zu Yordan Kamdzhalov gibt mir die antroposophische Sicht von Friedrich Doldinger:

Viele Mittler braucht das Leben
denn es ist so viel getrennt
ach, was könnte jeder geben
lebte er sein Element
Drin er schaltet als dem Seinen
grad, als wär´ es ihm gelie´hn
um sein Werdelied zu einen
mit der Götter Melodien

Eine wunderbare Sprache, samtig weich und poetisch treffend. Das Pendant zur musikalischen Ausdrucksweise von Yordan Kamdzhalov. Lesen Sie bei Wikipedia nach über Friedrich Doldinger, dort können Sie mit mir entdecken, dass er ein wunderbares Buch über W.A.Mozart verfasst hat.

Extra 3 und das Erdogan “ Fakten “ Video: Seien wir froh, dass sich der Staatspräsident über die Fakten aufregt. Er selbst hat diesen Riesenerfolg möglich gemacht.

Warum denn das jetzt ?
Weil ihm die Fakten – nennen wir sie ruhig : Wahrheit – nicht passen. Er bevorzugt seine Brille. Moderator Christian Ehring ist stolz darauf, dass Erdogan diese Sendung anscheinend selbst schaut. Eigentlich ist diese ganze Angelegenheit ein gewaltiges Eigentor des türkischen Präsidenten, denn seine Reaktion verschafft diesem Video die allergrößte Aufmerksamkeit. Andernfalls wäre dieses Video garantiert an Michael Schneider vorbei gegangen.

Diese Aufregung hätte sich Michael Schneider in Heidelberg im Jahr 2012 gewünscht als die große Verleumdungs und Intrigen Kampagne des Heidelberger Intendanten Holger Schultze gegen Yordan Kamdzhalov begann.
Vor drei Jahren gab es keine ganz große Aufregung wie jetzt beim türkischen Staatspräsidenten. Alle mir damals bekannten Verleumdungen und Gerüchte habe ich anscheinend als Einziger hinterfragt und widerlegt. Das ging damals von Vorwürfen über einen Rausschmiss an der Komischen Oper in Berlin bis hin zur sexuellen Belästigung in Heidelberg. Vielleicht hat sich tatsächlich damals niemand darüber aufgeregt, weil diese Verleumdungen überhaupt nicht faktenbasiert sein konnten. Und Gerüchte schweben nun einmal gerne im diffusen und unklaren Nebel eines “ On-dit „.
Mir ist auch nicht bekannt, dass der Heidelberger Intendant Holger Schultze oder der damalige Orchestervorstand sich von solchen Diffamierungen distanziert hätte.
Hinter vorgehaltener Hand wurde Yordan Kamdzhalov sogar als “ der Balkanese “ tituliert. Schmähbriefe wie: “ Du und deine Familie ihr müsst erst einmal Mensch werden “ ist nur ein Beispiel von unzähligen.
Das waren ja alles keine Fakten, sondern Verleumdungen und wie man beim türkischen Staatspräsidenten nun deutlich sieht: nur über Fakten lässt sich gut aufregen.