Profis zu Besuch. Michael Schneider macht Musik mit den UmA’s im PHV. Deutsch und Musik im Auftrag des DRK Rhein Neckar.

Drei Abkürzungen! Wie viele davon können Sie in vollständiges Deutsch übertragen ?
33.3 % ? 66,6 % oder 100 %.
Ich lag bei der zweiten Möglichkeit. UmA’s gab es in meiner Schulzeit noch nicht.
“ Unbegleitete minderjährige Asylanten „.
Schon das letzte Jahr in der Breiten Seite Nummer drei in Sinsheim hat mich gelehrt, wie musikalisch und musikbegeistert Afghanen, Syrer und natürlich Afrikaner sind.
Für Minderjährige gilt das natürlich auch schon.

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Heute, am 5. April fanden Annette, meine Partnerin für den Deutschunterricht und ich bis auf Abdul Rahman eine komplette neue Gruppe junger Afrikaner vor.
Musik mit Flüchtlingen heißt : soviel Djemben wie möglich. Eine oder zwei verstimmte Gitarren tun es auch. Fremdharmonische Perkussion auf zwei Gitarren ist für Afrikaner kein Problem – für Michael Schneider spätestens seit heute auch nicht mehr.

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Heute ging die Post so richtig ab. Die Beweisphotos sehen Sie auf dieser Seite.
Dabei war ein Sänger – der junge Mann im grünen T-Shirt.
Er machte den Vorsänger. Immer wenn der Refrain kam: “ in Germany „, dann war lautes Trommeln aller angesagt mit Germany-Gesang der ganzen Gruppe.
We love Solidarity – in Germany.
We….. Hospitality ….We……Liberty……..!
Manches geschieht zum ersten Mal.
Das habe ich bisher noch nicht erlebt.

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Es gab im letzten Jahr die “ Willkommens-Kul-Tour der Sinsheimer Djemben Gambianer. Diese jungen Männer heute formulieren mit ihrer Musik was menschlich ungewöhnlich ist:
Bis sie volljährig sind beschützt sie unser Staat. Dafür bedanken sich diese jungen Menschen mit ihrer Musik.

Wir in Europa leben in einem unvorstellbaren Wohlstand. Unseren Reichtum haben wir in Afrika geklaut, die Länder ausgebeutet und sie in ihrer natürlichen Entwicklung gestört, weil wir meinten, wir sind das Non-Plus-Ultra dieser Welt. Die Flüchtlingsströme haben wir schon lange erwartet. Wohlstandsflüchtlinge waren uns schon lange angekündigt. Ein Jahrhundert der häufigsten Kriege liegt hinter uns und setzt sich gerade fort. Was machen wir ? Wir haben Angst um unseren unermesslichen Wohlstand. Wie krank ist diese Gesellschaft ?
Michael Schneider ist jedenfalls so krank, dass der sich wahnsinnig freut, wenn junge Flüchtlinge sich über unsere Wohltaten freuen.
Eigentlich sollte sich Deutschland bei diesen Menschen für das Chaos entschuldigen, das wir bei ihnen angerichtet haben.

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Was hier so positiv begann ist nur eine Volte, die ich auch in der Musik immer gelebt habe: Einmal alles umdrehen, infrage stellen, aus einer anderen Sicht betrachten. Danach kann ich zu meinem alten Standpunkt zurückkehren oder eben nicht. Jedenfalls habe ich mir Alternativen angeschaut. Dann erst habe ich ich die Möglichkeit der Wahl.
Aber bei einem Gedanken habe ich keine grosse Auswahl mehr:
Wenn sich das Philharmonische Orchester Heidelberg in der Affäre Yordan Kamdzhalov so tief unter die Gürtellinie begibt, dass die Nazis vor Scham fast ( nur beinah ) errötet wären, dann konnte Michael Schneider da nicht mehr mit machen.

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Ein viel schlimmere Variante:
Deutschland verkauft Waffen an Assad. Der bekämpft sein Volk. Eine Bombe aus Deutschland fällt auf das Haus von Abdul Rahman’s Familie in Syrien. Er überlebt den Bombenangriff als Einziger. Ein Auge bleibt ihm, drei Splitter im Körper, die Nase sehr vernarbt. Und nun gewährt ihm Deutschland bis zur Volljährigkeit Asyl. Dann aber beginnt erst das eigentliche Asylverfahren. Haben Sie noch Fragen ?

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Die berühmte “ Breite Seite Nummer drei “ in Sinsheim. Michael Schneider, der ehemalige Solo Kontrabassist des Philharmonischen Orchesters Heidelberg konzertiert mit arkestra convolt für die Flüchtlinge in den Messehallen Sinsheim.

5. Mai 2016 im Flüchtlingsheim in Sinsheim. 500 junge Männer aus Afghanistan, Syrien und Gambia sind dort einquartiert. Michael Schneider hat ein Konzert initiiert, das seine Betreuerin vom DRK Rhein Neckar aufgegriffen und realisiert hat. An diesem Vatertag haben viele Mitarbeiter des DRK Rhein Neckar mitgewirkt, auch durch ihre Anwesenheit. Vatertag ist ein Feiertag. Trotzdem waren alle offiziellen Mitarbeiter freiwillig erschienen. 250 Flüchtlinge waren an diesem Abend dabei. Und jetzt halten Sie sich fest, das Konzert und die anschließende Trommel-Session mit Improvisationen von arkestra convolt habe ich als einen ganz besonderen Film erlebt.
Der Film heißt: “ The Shawshank redemption and the Godfather „, zu deutsch: “ Die Verurteilten „. Der Film spielt in einem Gefängnis. Die Geschichte des Films ist hier nicht wichtig. Aber die geballte Energie von vielen Männern, die eher weniger freiwillig Zeit zusammen verbringen, dieses Bild, dieser beste Film aller Zeiten vermittelt dem Leser einen Eindruck von Kraft und urwüchsiger Energie, die alle Beteiligten heute Abend erlebt haben.
Das Flüchtlingsheim in der Breiten Seite Nummer drei in Sinsheim ist kein Gefängnis. Die Bewohner des Heimes können Tag und Nacht das Heim verlassen und jederzeit 24 Stunden rund um die Uhr kommen und gehen. Sie bekommen reichlich Kursangebote zum Deutsch lernen sowie andere Sozialangebote.
Eines davon ist das Thema Musik. Dank meiner Betreuerin vom DRK Rhein Neckar hat Michael Schneider verstanden, dass allein das Angebot von Musik, beziehungsweise Musikunterricht als Bereicherung betrachtet wird.
Kennen Sie Live Mitschnitte von Rock Konzerten? Ja Sie kennen das: dann wissen Sie, dass dort die Menschen eng gedrängt herumstehen und kaum die Möglichkeit haben sich zu bewegen. Anders in der großen Aufenthaltshalle, die reichlich Platz zum Tanzen bietet, sowie mit zahllosen Sofas ausgestattet ist, die in einem großen Halbkreis um die Musik drapiert waren. Nach dem Konzert waren die Gambianer mit arkestra convolt 80 Minuten am Jammen. Was Sie in dem oben beschriebenen Film als Box und Kampf Szenen sehen können, das wird an diesem Abend ein ausgelassenes, begeistertes Tanzvergnügen von Afrikanern, Afghanen und Syrern. Jeder begeisterten Regung wird sofort Raum gegeben. Lautstarkes Gejohle oder geradezu frenetischer Applaus formen eine mir ungewohnte Geräuschkulisse.
Nach Beendigung des offiziellen Konzertes bedankte sich der Sprecher der 500 Bewohner des Flüchtlingsheims für unser Konzert. Ich fühlte mich erinnert an das Wort “ Klassensprecher “ aus meiner Schulzeit. Aber dann dachte ich: Toll, dass es unter 500 Flüchtlingen in einem Gebäude auch einen “ Klassensprecher “ gibt.

Breite Seite Nummer drei in Sinsheim. Heute: Cello Solo und Gitarrenunterricht mit Michael Schneider.

An diesem Mittwoch, den 4. Mai war wieder Cello Konzert angesagt.
Ich habe einen neuen Fan aus Afghanistan. Habe ich einen neuen Anhänger? Oder hat die Barock und Renaissance Musik einen neuen Anhänger gefunden, für Musik, die er vielleicht noch nie vorher gehört hatte?
Mosab ALmohajer. Auch diesen Namen habe ich mir notiert damit ich ihn nicht vergesse. Zwei andere meiner Zuhörer aus Afghanistan hießen nun tatsächlich Mohamed, diesen Namen kann sich vermutlich jeder leicht merken. Die Namen Abdul Rahman oder Malikzada gehen mir inzwischen leicht von der Zunge. Mich grüßen inzwischen auch schon Flüchtlinge, die ich bei meinen Konzerten oder den Musikstunden noch gar nicht gesehen habe.
60 Minuten Cello Musik, meine beiden Stammhörer Malikzada , der auch mein Gitarrenschüler geworden ist und Mosab ALmohajer genießen ganz offensichtlich den Klang meines Cellos und drücken dies auch mit Worten aus, wie sehr ihnen der weiche Klang dieses Instrumentes gefällt.
Mein wechselndes Lauf Publikum, heute überwiegend Afghanen, kennt sich anscheinend auch mit unserer westlichen Musik aus. Zwar wurde von einem die Musik von Johann Sebastian Bach dem Italiener Giuseppe Tartini zugeschrieben, aber immerhin, so ganz daneben war es dann doch nicht.
Die schnellen Sätze von Johann Sebastian Bach aus den Cello Suiten wurden von einem anderen der Rock Musik zugeordnet. Da waren wir beide uns einig, das sehe ich ganz genauso.
Nach 60 Minuten Cello Musik bekam Malikzada seine Gitarrenstunde.
Meine beiden anderen Gitarrenschüler, Abdulrahman und Assim mussten heute anscheinend den Frühling in Sinsheim genießen. Von Haus aus Jazzer, war ich als Orchestermusiker, beziehungsweise Angestellter der Stadt Heidelberg nie so ganz den strengen Ritualen verpflichtet, ich will sagen, somit der arabischen Mentalität näher. Trotzdem, als Gebender muss ich mich immer noch ein wenig daran gewöhnen, kann mich inzwischen aber freudig und neugierig auf den nächste Variante einlassen.
Wie lange meine “ Gitarrenschüler “ in Sinsheim bleiben, das wissen sie selbst nicht so genau. Lohnt sich dan der Unterricht überhaupt, wenn die zeitliche Befristung ganz im Ungewissen liegt?
Hier gibt es nur ein eindeutiges Ja, keine Minute möchte ich missen. Junge interessierte Männer – die sich nach den Worten meiner Betreuerin vom DRK Rhein Neckar “ im Krieg befinden “ – bekommen eine Gitarre und Lehrer wie Schüler erleben taufrisch, wie der Prozess des Laufen Lernens sich bei einem Kind entwickelt: Hinfallen-Aufstehen.
Für diese Männer, also meine drei Gitarrenschüler ist dies die wunderbare Erfahrung, dass die Finger zunächst überhaupt nicht das tun, was der Kopf denkt oder sich einbildet.
Das merke ich jedesmal an mir selbst. Ich kann mir die vielen neuen Namen nicht merken, habe zunächst immer wieder nachfragen müssen, bis ich begonnen habe, sie mehr schriftlich zu merken.Ergo: DER LEHRER IST AUCH NICHT BESSER ALS SEINE SCHÜLER.

Profis zu Besuch – der Philharmoniker Michael Schneider bringt seine Leser auf den neuesten Stand über die berühmte “ Breite Seite Nummer drei „.

Über den heutigen Mittwoch ist zu berichten, dass auf jeden Fall die Security Männer vollzählig anwesend waren – Sie merken schon, hier spricht der deutsche Pedant.
Die Flüchtlinge, die jungen Männer sind jedenfalls sehr wohlerzogen und hilfsbereit. Kaum verlasse ich den Wagen und beginne meine vielen Instrumente auszupacken, schon gibt es hilfreiche Hände, die mir alles abnehmen und in den Vortragsraum tragen. Das war jetzt bei jedem Besuch so. Aber in meinem Musizierraum herrscht gähnende Leere. Trotz bewölktem Himmel und nur 11° im Freien sehe ich keine Zuhörer und es wollen sich heute auch keine einfinden.
Letzte Woche noch wollte jemand unbedingt Cello lernen und ich versprach ihm, eines mit zu bringen. Und der Afrikaner der so gut Djembe spielt, das hatte er mir letzte Woche auf seinem Handy mit einem Musik Film bewiesen, der wollte heute unbedingt mit mir improvisieren mit der Djembe, die ich mitbringen sollte. Beide waren heute nicht da.
Wenn ich 20-jährige Männer aus Syrien und Afghanistan noch als Pubertisten bezeichnen darf, dann handelt es sich anscheinend tatsächlich um solche – meine eigenen Pubertisten haben sich auch öfters mit ihrem Vater verabredet und es dann schlicht weg vergessen, obwohl ich für sie gekocht hatte, beziehungsweise haben sie ganz spontan eine Verabredung abgesagt. Ich will damit sagen, ich nehme das alles sehr gelassen und bin nicht nachtragend.
Aber meine beiden Gitarrenschüler erschienen und noch ein dritter, der Syrer, Abdul Rahman.
Also beschloss ich, dass wir 120 Minuten, das sind zwei volle Stunden, Gitarrenunterricht machen.
Abdul Rahman hat sich aber noch bevor er eine Gitarre in die Hand bekam vorgestellt, dass er doch dann dreimal in der Woche Unterricht haben möchte. Ich erklärte den dreien, dass ich zu geizig sei um dreimal in der Woche nach Sinsheim zu fahren. Zweimal würde ich durchaus investieren, aber das dritte Mal müssten sie nach Heidelberg kommen.
Die Lösung für die dritte Stunde hat sich dann im Unterricht von selbst angeboten. Mir kam die Idee, dass sie die dritte Stunde selbst gemeinsam durchführen sollten, indem jeder dem anderen hilft, bis zur nächsten Unterrichtsstunde mit mir alle drei auf das gleiche Niveau zu bringen, damit wir alle auf gleichem Niveau gemeinsam in den Fortschritt starten können. Zwischendurch rief dann noch der Imam zum Gebet. Der kommt heute – ganz modern, oder wie sagt man: up to date – aus dem Handy, so als Klingelzeichen. Das hat mich an die mongolischen Mönche erinnert, die ich vorher schon erwähnt hatte.
Werde ich alt? Der Name Asim, der war gleich bei mir angekommen, aber Malikzada oder Abdulrahman, die musste ich mir erst einmal notieren und nachlesen. Ich weiss jetzt auch wieder, wie sehr sich meine jungen Freunde bemühen. Weiss aber auch, wie schwer Neues und Komplexes in ein unbetretenes Schneefeld im Gehirn zu einem leicht gangbaren Pfad umzuwandeln ist.