Schwere oder leichte Bass Bögen ? Eine Betrachtung aus meinem Orchesteralltag.

Lothar Seifert war Bogenmacher. Der Name, auch der seiner Nachfahren steht für hervorragende, auch aussergewöhnliche Bögen. Auf der Suche nach einem französischen Bassbogen besuchte ich ihn. Er führte mir viele schöne Bögen vor, aber alle waren mir zu schwer, viel ( sehr ) zu kopflastig. Warum, fragte ich ihn machen sie das, wer will so schwere Bögen ? In Deutschland verkaufe ich so gut wie keine französischen Bögen ( wir befanden uns im Jahr 1995 ), sondern nur ins Ausland. Dann erklärte er mir, dass besonders die amerikanischen Bassisten nach dem zweiten Weltkrieg immer schwerere Bögen bei ihm bestellten. Das hing damit zusammen, dass die Konzertsäle immer grösser wurden und sie meinten, sie müssten die Säle mit mehr Ton ausfüllen. Dieser Gedanke fand nur Hilfe durch schwere Bögen.  Wer Michael Schneider kennt, der weiss dass ich hier nichts gegen schwere Bögen habe. Es kommt immer nur darauf an, ob es dem jeweiligen Zweck dient oder nicht. Ich habe damals einen leichten Bogen von Seifert bekommen. Den habe ich gespielt, bis Gerold Genssler mit seinen “ Rabbath Saiten “ in mein Leben trat.. Als ich 1991 bei Rabbath begann, stand ich mit einem Bein im Gefängnis – im Bassisten Gefängnis. Nun stehe ich mit beiden Beinen dort, denn jetzt spiele ich den Bass nur noch mit einem Cellobogen. Der darf dann auch gerne etwas schwerer sein , also leicht kopflastig. Das hängt mit den Genssler Saiten zusammen.  Bei dickeren Saiten mit grösserer Spannung wäre ich vermutlich nie auf diese Idee gekommen.

Die Genssler Saiten sprechen an wie Geigensaiten, aber nur wenn man sie auch so behandelt. Führt man sich auf wie die Holzhacker Bua, dann kommt auch die entsprechende Antwort. Das gilt meines Erachtens aber auch für jede Art von Saiten. Das richtige Bogengefühl geht im Orchester Alltag leicht unter wenn man der Illusion unterliegt, gegen das Blech anspielen zu können. Für einen kultivierten Bogenansatz gilt für mich der Spruch eines weisen Heidelberger Cellisten: Sie müssen vor und nach dem Orchester immer ihre Töne reinwaschen.

Ein früherer Kollege von Willi Beyer, ehemals Solobassist beim NDR Sinfonieorchester erzählte ihm immer wieder: Willi, wenn das Blech einsetzt sofort auf piano umschalten.

Alfred Herriegel und die Kunst des Bogenschießens in der Nouvelle Technique de la Contrebasse

12.04 004Alfred Herriegel – Zen in der Kunst des Bogenschießens.

( O.W. Barth Verlag, ISBN 978-426-29121-4 ) Alfred Herriegel folgte als Philosophie Professor in Heidelberg  1924 dem Ruf an die Sendai Universität in Japan. Dort begegnete er dem Zen Buddhismus und begann darüber nachzudenken, wie sich das westliche mit dem östlichen Denken verbinden lässt. Darüber und über seinen persönlichen Weg zum Zen Meister schreibt er in seinem Buch.

Ein gleiches Erlebnis hatte ich 1991 bei meinem ersten Besuch bei meinem zweiten großen Lehrer Francois Rabbath. Er spielte mir etwas vor und ich wusste : das will ich lernen. Ich habe nicht daran geglaubt, dass dies möglich ist.  Mein großer Förderer und Mentor Willi Beier, seinerzeit Solokontrabassist beim NDR Sinfonieorchester sagte mir immer wieder : Rabbath, das ist eine Granate, aber nichts für uns.  Ich blieb stur, so wie Alfred Herriegel es auch war und das führte uns beide zum Ziel.In Herriegel ’s Buch ist von “ kunstloser Kunst “ die Rede.  Auf Deutsch: das Ziel, der Beste zu sein, besser als die anderen ist nicht das Ziel.  Durch Herriegel und Rabbath bin ich der beste in meinem Lebensgefühl. Rabbath :“ tu auras l‘ habitude d‘ un virtuoso „. Dafür brauche ich keine Bescheinigung, weder auf dem Papier, noch durch andere.

Ich bin fasziniert davon, dass ein Philosophie Professor und ein Kontrabassist, der  nur für einen Monat eine Hochschule von innen gesehen hat, zu dem gleichen Ergebnis kommen, der “ kunstlosen Kunst „. Der Zen Meister erklärt das in dem Buch so :“  All die vielen Übungen sind nur dazu da , dich frei zu machen, damit die göttliche Energie in dir wirken kann.“  Das ist auch schon ein religöses Thema: Wenn ich das  Ergebnis als Energie betrachte, dann ist es unwichtig ob ich sie Buddha nenne, Jehova,  oder Gott……………. Das Buch ist nur 100 kleine Seiten dick. Immer noch die “ Bibel “ für die, die etwas mehr wissen wollen. In diesem Zusammenhang hat es auch viel bis alles mit Musik zu tun.

Die Folgen meiner Neugier bekomme ich immer wieder zu spüren, oft aus einer völlig unerwarteten Richtung. Heute nach einem Konzert in Rüsselsheim spricht mich eine Frau aus dem Publikum an und teilt mir mit, dass das Spielen bei mir so leicht aussieht, ob ich eine andere Stimme spielen würde. Ganz schnell habe ich ihr erklärt, dass es viele Wege zum Erfolg gibt. Den einen sieht man, den anderen nicht.  Die Frau war zufrieden. Aber ich erinnnerte mich an Francois Rabbath und Boussagol : So muss es ihm auch ergangen sein.. Wem ? Na: einem von beiden.

Michael Schneiders Paradies auf Erden : Dank an die Neugier und die Dankbarkeit

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Michael Schneider

Wie schön das Leben ist, erfährt man nur, wenn man sich nicht vor allem verschließt, was einem fremd erscheint„.( Zitat aus: Stein und Flöte von Hans Bemmann )

Willi Beyer war Solobassist beim NDR Sinfonieorchester Hamburg. Er hat Gitarre studiert, Cello und Kontrabass. Im Studium musste er sich für eines der beiden Streichinstrumente entscheiden. Also war das Cello Nr 1. Dann gab es aber keine Solostelle für ihn. Also rückte Nr 2 auf Nummer eins. Auf keiner Solostelle blieb er lange, weil es immer höher hinauf ging. Bis zum NDR. Für mich war Willi nicht nur ein Kontrabassist. Wollte ich Bach auf dem Kontrabass spielen, dann zeigte er es mir, um gleich darauf zum Cello zu greifen und es mir dort auswendig vorzuspielen. Sprachen wir über Gitarre so folgten sofort einige Stücke auswendig mit einigen Zugaben seiner eigenen Bearbeitungen für Gitarre.

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Cello oder Bass Bögen ?

Dann begannen 1991 meine Lehrjahre bei Francois Rabbath in Paris. Irgendwann telephonierte ich dann mit Willi und wir unterhielten uns über meinen neuen Lehrer. “ Der ist eine Granate“ stellte er immer wieder fest. Ich  übersetze diese Worte ins Deutsche: Der Mann ist toll, aber das können wir nicht lernen. Mein Glück war, dass ich dieses weit verbreitete Denken nicht akzeptiert habe. Ich habe keineswegs geglaubt, dass ich das lernen kann, aber ich habe es einfach getan. Es hat ein Studium lang gedauert, aber nach vier Jahren haben einige bedeutende Basskollegen ein musikalisches Wohlbefinden neidlos anerkannt, wenn wir mal orchestral zusammen kamen. Der Solobassist eines grossen Deutschen Hauses sass mit mir an einem Pult im Nationaltheater Mannheim und kam mir mit der Bemerkung zuvor: Wir waren hier ein tolles Team. Im eigenen Haus hatte er zuvor einem neugierigen Kollegen verboten im Orchester die Französische Bogenghaltung  zu spielen.