Frank Proto, Alec Wilder und der Jazz in der “ Modernen Klassik “ der Kontrabass Literatur. Michael Schneiders Spurensuche nach guter Musik in diesem Genre.

Der Kontrabassist und Selfmade Komponist Frank Proto machte 1963 sein Diplom. Die Literatur, die ihm damals zur Verfügung stand war so spärlich und nicht nach seinem Geschmack, so dass er sich selbst ein Stück schrieb : die “ Sonate 1963 “ für Kontrabass und Klavier.

Der erste und der dritte Satz sind harmonisch sphärische Erkundungen dessen, was  Frank Proto immer weiter bis zu seinem heutigen Stil entwickelte.

Der zweite Satz ist wie ein Bebop Chorus der Sechziger Jahre gehalten und die Klavierbegleitung wirkt dazu wie ein perfekt improvisierend antwortendes Klavier. Die Bass Stimme weist jedoch alle Merkmale der klassischen Sonatenform auf: Thema, Seitenthema, Durchführung, Reprise. Dieser ausgeschriebene Bebop Chorus gefällt mir immer noch so gut, dass ich ihn öfter in Ermangelung eines Klaviers Solo spiele. Das Publikum nimmt das immer dankbar erstaunt auf, dem Publikum und mir fehlt da in dieser Fassung nichts.

Beim vierten Satz geht dies leider nicht, da hier ein ausgesprochen virtuoser Dialog zwischen Bass und Klavier die Spannung ausmacht und keine Melodie durchgängig auf dem Bass zu finden ist.

Was gibt es in der “ Modernen Klassik “ an Jazz orientierten Stücken !

Mir sind drei Jazz Sonaten des amerikanischen Komponisten Alec Wilder bekannt:

Suite No. 1 for Tuba, Bass and Piano, Small Suite for Bass and Piano

Suite for String Bass and Guitar, Sonata for Bass and Piano

Alle Margun Music Inc,

Paul Leenhouts komponierte 1993 “ Daido“ für Piccoloflöte und Kontrabass. Dieses Stück führe ich regelmässig mit Saxopon und Kontrabass auf.

Wem beim Lesen weitere Werke in dieser Richtung einfallen, der ist mit seinem Wissen hier sehr willkommen.

Als Jazz Trio für drei Celli oder drei Kontrabässe gibt es noch von Michael Norris “ Bass Motives“quasi cool – quasi blues – quasi cake walk.  Für Kontrabass Septett gibt es natürlich noch die Kompositionen des legendären  “ Orchestre de Contrebasses „ in dem schon Renaud Garcia Fons als Student auf seinem Fünfsaiter mit hoher C-Saite seinen Stil entwickelte.

Frank Proto schrieb auch ein Trio für Violine, Viola und Kontrabass, im coolen Bebop-Proto Stil geschrieben, das dem Kontrabassisten zur freien Improvisation einen beliebig langen Freiraum lässt. Diese Idee setzt Frank Proto auch in seinem Kontrabass Konzert fort. Eigentlich ist das gar nichts besonderes, was im Jazz als Chorus bezeichnet wird, nennen wir in den Klassischen Konzerten Kadenz. Nur ist den Klassikern das freie Spiel abhanden gekommen, so dass sie sich ihren Chorus vorher aufschreiben oder gleich eine Kadenz vom Komponisten oder anderen spielen. Francois Rabbath setzt in seinen Kompositionen mit Klavierbegleitung diese Idee in  “ Reitba „ und seinem “ Concerto No. 2″ sowie “ Concerto No. 3 “ ( mit Klavierbgleitung ) um und gibt dem Solisten Gelegenheit sich solistisch “ Solo “ zu präsentieren.

Ich habe seine beiden „Concerti“  No. 2 und 3 seit einigen Jahren auch für mein Cello adaptiert und schon mehrfach aufgeführt. ( Das Placet von Francois Rabath habe, ich habe es ihm zusammen mit seinem Sohn Sylvain vor fünf Jahren vorgespielt ). Damit bin ich vermutlich bislang der einzige, der “ Rabbath“ auf dem Cello spielt.

Francois Rabbath und seinem umfangreichen Werk werde ich ein eigenes Kapitel widmen.

 

Michael Schneider ist auf der Suche nach dem Jazz in der “ Modernen Klassik “ der Kontrabass Literatur bei Frank Proto, Alec Wilder und anderen.

Der Kontrabassist und Selfmade Komponist Frank Proto machte 1963 sein Diplom. Die Literatur, die ihm damals zur Verfügung stand war so spärlich und nicht nach seinem Geschmack, so dass er sich selbst ein Stück schrieb : die “ Sonate 1963 “ für Kontrabass und Klavier.

Der erste und der dritte Satz sind harmonisch sphärische Erkundungen dessen, was Frank Proto immer weiter bis zu seinem heutigen Stil entwickelte.
Der zweite Satz ist wie ein Bebop Chorus der Sechziger Jahre gehalten und die Klavierbegleitung wirkt dazu wie ein perfekt improvisierend antwortendes Klavier. Die Bass Stimme weist jedoch alle Merkmale der klassischen Sonatenform auf: Thema, Seitenthema, Durchführung, Reprise.
Dieser ausgeschriebene Bebop Chorus gefällt mir immer noch so gut, dass ich ihn öfter in Ermangelung eines Klaviers Solo spiele. Das Publikum nimmt das immer dankbar erstaunt auf, dem Publikum und mir fehlt da in dieser Fassung nichts.
Beim vierten Satz geht dies leider nicht, da hier ein ausgesprochen virtuoser Dialog zwischen Bass und Klavier die Spannung ausmacht und keine Melodie durchgängig auf dem Bass zu finden ist.
Was gibt es in der “ Modernen Klassik “ an Jazz orientierten Stücken !
Mir sind drei Jazz Sonaten des amerikanischen Komponisten Alec Wilder bekannt:
Small Suite for Bass and Piano – Margun Musik Inc., Sonata for String Bass and Piano – Margun Music Inc.
Suite for String Bass and Guitar – Margun Music Inc  sowie Suite No. I For Tuba, Bass and Piano – Margun Music Inc.

Und selbstverständlich Francois Rabbath: Solos for the Double Bassist, Liben Music. Equation , Kobolds, Sete Quate und Creasy Course sind sehr jazzige Stücke, die als Set gespielt acht bis zehn Minuten hergeben und von jedem Publikum begeistert aufgenommen werden.

Wem beim Lesen weitere Werke in dieser Richtung einfallen, der ist mit seinem Wissen hier sehr willkommen.

Als Jazz Trio für drei Celli oder drei Kontrabässe gibt es noch von Michael Norris drei Sätze : Ragtime, Blues und Cool.
Für Kontrabass Septett gibt es natürlich noch die Kompositionen des legendären “ Orchestre de Contrebasses „ in dem schon Renaud Garcia Fonds als Student auf seinem Fünfsaiter mit hoher C-Saite seinen Stil entwickelte.

 

Betrachtungen zur Uraufführung der Kontrabass Sonate von Olga Magidenko am 24.9.2014 um 20 Uhr im Musikhaus Hochstein in Heidelberg. Ausführende: Michael Schneider, Kontrabass – Nora Emödy, Klavier

Wir schreiben das Jahr 1976. Olga Magidenko hat die Pubertät gerade hinter sich und befindet sich in ihrer jugendlichen Sturm und Drang Zeit. Sie hat in Moskau bei Aram Khatchatourian studiert, der war einer ihrer Lehrer und vielleicht auch Vorbild.

Das spiegelt der erste Satz sehr heftig wider. Nach einer langsamen Einleitung hält sich das Thema überhaupt nicht an den vorgegebenen 3/8 Takt. Ständig wechseln die Schwerpunkte an unerwartete Momente, scheinbar sind Bass und Klavier überhaupt nicht zusammen und der Zuhörer weiss auch nicht mehr wo er sich befindet. Gleich der erste Einsatz des sehr tänzerischen Tanz Themas mit dem Achtel Auftakt G – Sprung: Oktave G‘ als erster Ton und Beginn, schon setzt Olga ein einziges solitäres As im Klavier dagegen. Da darf dann der Kontrabass gleich denken, dass er falsch oder unsauber eingesetzt hat. Der Kontrabass darf und soll selbstverständlich ziemlich bis sehr sauber spielen, jede Schwankung in der Intonation ist sehr wohl sehr deutlich zu hören.-  Dann hat das Klavier Pause. Und jetzt: Kadenza, aber nicht irgendwas, sondern von Olga aufgeschrieben. Das Thema geht sozusagen ohne Klavier weiter. Das wiederholt sich kurz vor der Koda noch einmal, mit einer fetzig-brillanten Soloeinlage zeigt Olga ihre profunde Kenntnis der bassoralen Möglichkeiten. Die Melodieführung der Oberstimme ist so typisch wunderbar schräg und vermittelt dennoch enorme Spielfreude wenn es dem Spieler erst mal gelingt, die synkopierten Bass Borduntöne im richtigen Timing dazu zu setzen.

Zweiter Satz: Sehnsuchtsvollste russische Romantik betört das Ohr, das Klavier stellt das Thema vor, dann übernimmt der Bass. Die Sehnsucht schraubt sich auf dem Bass immer höher, bis Sie wegen der schwindelnden Höhe nur noch im künstlichen Flageolett darstellbar, also spielbar wird.

Dritter Satz: Wieder langsame, diesmal staccatierte Einleitung deren Thema verkürzt wiederholt wird. Dann reicht es Olga, im 7/4 Takt geht es weiter. Zwei Takte abgehackte Akkorde auf die eins, dann geht es rund. Das sehr eloquente Thema entwickelt in seinen Wiederholungen Rondo Charakter. Auch hier lebt Olga ihre Grenzen sprengende Neigung aus, die Melodie immer höher zu schrauben. Hier schont sie weder den Kontrabassisten noch das Klavier. Auch hier scheinen Bass und Klavier rhythmisch aneinander vorbei zu spielen – jeder spielt über lange Strecken in verschiedenen Taktarten, was mich beim Betrachten der Partitur sehr verwirrt hat mit der Frage, wie das jemals zusammen gehen soll. Aber Olga schreibt nicht gegen die Musik.

Im Final-Höhepunkt kurz vor der Koda geben sich 7/4, 11/8, 6/8, 7/8 und wieder 7/4 Takte die Hand, das Klavier bleibt dabei durchgängig im 7/4 Takt. Das ist eigentlich ganz einfach, der Kontrabass braucht nur “ gerade „, also rhythmisch  konstant seine Achtel-Noten zu spielen und schon ist es wirklich  einfach. Beim ersten Lesen der Sonate sind die Verschiebungen der Takte gegen die Struktur der Themen so irritierend, wie ich es bei einer Baguala von Willi Burgos erlebt habe. Traditionell wird sie im 6/8 Takt notiert, das Spiel Feeling ist aber ein 3/4 Takt. Und solange mein Verstand etwas anderes hört als er liest, hatte und habe ich damit meine Schwierigkeiten. Aber die Hindemith Sonate war auch mal  “ schwer „. Carl Valentin sagte dazu einmal  “ Wenn man es kann, dann ist es keine Kunst mehr „. Und damit hat er recht.

Erster und dritter Satz dieser Sonate strotzen vor Temperament und ( rhythmischer ) Frechheit. Um so etwas zustande zu bringen, dazu gehört eine gehörige Portion ( musikalischer ) Intelligenz. Davon hat es in ihrer Kammermusik reichlich.

Mit dem Denken von Simandl und Findeisen ist diese Sonate so unangenehm wie das Henze Kontrabass Konzert ( aber natürlich völlig andere Musik ). Mit der Rabbath Technik betrachtet ist es ein Feuerwerk an spannender und sehr vitaler Musizierfreude.

Mir fällt von bekannteren Werken der Kontrabass Literatur nur die Paul Hindemith Sonate und die von Franticek Hertl ein, beides Werke von schöner, spröder Modernität. Für mich reiht sich die Kontrabass Sonate von Olga Magidenko ein in meine “ Trilogie “ der wichtigsten Kontrabass Sonaten der letzten hundert Jahre. Dabei reduziere ich meinen Focus auf die sogenannte Moderne Klassik. An anderer Stelle habe ich schon die Kontrabass Sonate von Frank Proto erwähnt, die ich für die “ schönste “ und innovativste moderne Kontrabass Musik halte, sowie die “ Jazz “ Sonaten von Alec Wilder.

1976 wurde diese Sonate von Olga Magidenko komponiert, da war sie 13 Jahre alt, mit Schwergewicht auf: “ alt „. Mit sechs Jahren wollte sie komponieren, ihre Mutter verbot es ihr. Die Mutter war Pianistin und das sollte Olga auch werden.  Mit elf Jahren schaffte sie es, dass sie in Moskau als ausserordentliche Studentin Komposition studieren durfte. Da stimmte ihre Mutter zu. Das erinnert mich irgendwie an Mozart. Neben der Uraufführung der Kontrabass Sonate habe ich mit Nora Emödy, Klavier und Claus Rosenfelder, Klarinette und ich, Michael Schneider am Cello auch die Uraufführung von “ Einatmen – Ausatmen “ gespielt, sowie drei weitere Klaviertrios von Olga Magidenko.

Ihre Werke zeichnen sich aus durch: Profunde Kenntnis der Möglichkeiten auf jedem Instrument, spannende Eskalation der Spielfreude durch provozierende technische Anforderungen an jeden Spieler.

Der Kontrabass Sonate von Olga Magidenko wünsche ich den Status der Hindemith Sonate in der Kontrabass Literatur, wie auch in den Herzen der Ausführenden.

Noten erhältlich bei : Furore Verlag  Kassel