Philharmonisches Orchester Heidelberg. Stürmischer Applaus in der Stadthalle. Schweigen beim Abschied eines philharmonischen Klangphänomens: Michael Schneider und sein Klangwunder-Instrument.

Endlich ist nicht mehr über Leichtigkeit des Spielens und des Seins die Rede, über flache Saitenlage und leichte Ansprache. Endlich, nach 35 Jahren können die Kollegen richtig zur Sache gehen: arbeiten und drücken, Klang ist egal, Hauptsache man sieht, dass hier gearbeitet wird. Die Kontrabässe wollen unter sich bleiben. Wenn sie musikalisch schon nicht auffallen, dann muss es andere Wege geben, sich bemerkbar zu machen, sei es unangenehm oder hässlich.
So sieht es ein Ästhet. Wer Cello spielt, der weiss und will, dass sein Instrument in jedem Moment antworten muss, der duldet keine Widerspenstigkeit, keine Verweigerung der Ansprache. Aber meine Kollegen nicht nur in meinem “ Philharmonischen Orchester Heidelberg “ lieben das Drücken und Erzwingen von Tönen, die durch Leichtigkeit und Eleganz nicht kommen wollen. Ich war immer – und solange bis ich eine Lösung gefunden hatte auf der Suche nach Leichtigkeit – auf der Suche nach Antworten meines Instrumentes, dann wenn ich sie brauchte.
Das ging sogar soweit, dass meine Freunde im Publikum mich fragten, ob ich angesichts der Leichtigkeit meines Spiels vielleicht nur so tue als ob, weil mein Stellvertreter neben mir auf seinem Hocker wie ein Berserker herumfuhrwerkte. Vielleicht ist diese Art auch nur der schweigende und machtlose Protest gegen die unerträgliche Leichtigkeit des Kontrabass Spielens eines Michael Schneider, der viele Jahre daran gearbeitet hat, dass der Kontrabass nichts mehr mit Arbeit zu tun hat. Das Problem ist, wer immer einen Blick dafür hat, sich selbst in Frage stellen müsste. Das könnte das Thema “ Veränderung“ auf das Tapez bringen, sich selbst in Frage zu stellen und innere Konsequenzen wahrzunehmen. Musik als Job oder als Berufung ? Ich hatte keine berufenen Kollegen neben mir, ich hatte Angestellte der Stadt Heidelberg, die Geld verdienen müssen. Das musste ich auch, aber zu meinen Bedingungen: kompromisslos für die Musik und in den letzen Jahren auch immer kompromissloser für die Menschlichkeit, gegen den orchesterinternen Faschismus, der vom Intendanten Holger Schultze und einem extra gewählten Orchestervorstand ausgeübt wurde. Dafür stehen Namen wie Thierry Stöckl, Christoph Habicht, Christoph Schlesinger.
Mir stehen heute noch die Haare zu Berge, dass meine ehemalige Kollegin Nicole Streichardt als Einzige aufstand gegen 60 Heidelberger Philharmoniker, als diese Yordan Kamdzhalov schier „lynchen“ wollten durch Verweigerung. Stellen Sie sich vor: eine zierliche Französin, stellvertretende Stimmführerin der zweiten Geigen, eine richtig gediegene Geigerin, sie steht alleine gegen ein ganzes Orchester auf um Menschlichkeit anzumahnen. Was für ein Mut. Mutter Courage – nach Brecht – in Person. 60 feige Menschen ducken sich in der gemeinsamen Masse des Schweigens. Das ist Faschismus: eine Peer Group – auf deutsch: Schlägertrupp, ob mental oder tatsächlich ist hier unerheblich – macht sich wichtig und erklärt alle anderen Meinungen für verrückt. Das hier ist ein Loblied auf eine mutige Frau. Den Rechtsruck, den bekommen wir mit diesem Denken gratis.
Mein Engagement für Yordan Kamdzhalov wie für die Rabbath-Technik war nie gegen, sondern immer für: die Freiheit, die musikalische Freiheit und Kreativität. Ganz besonders aber immer: Wohlwollen und Begeisterung.
Wenn meine Kollegen auf ihren Kontrabässen arbeiten wollten – aus meiner Sicht – dann hat mich das nie gestört. Verstehen wollte ich aber nicht, dass sie dagegen meine Art lächerlich machten und durch “ Protestspielen “ konterkarierten.
Das Schlimmste an der Affäre “ Kamdzhalov “ war die kollektive Feigheit eines ganzen Orchesters, die Feigheit der Verwaltung, des Intendanten, klare, ehrliche Worte zu sprechen.
So sind wir Deutschen in der Nazizeit mit ungewünschten Personen umgegangen. Ich schäme mich für dieses Orchester, dieses Theater, die vielen grossen verlogenen Worte.

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Die Breite Seite besucht den Querklang – der Querklang besucht die Breite Seite am 5. Mai um 20 Uhr.

Die Breite Seite Nummer drei “ verdrängt an Häufigkeit die 35 Jahre “ Philharmonisches Orchester Heidelberg “ auf meiner Webseite.
Michael Schneider war nie ein Linker. Aber jetzt höre ich mich reden: Wir exportieren unsere Waffen an Diktatoren in Länder, damit wir im Wohlstand leben können. Dafür unterdrücken und morden diese Diktatoren ihr Volk. Und nun wundern wir uns, dass die Opfer uns um Hilfe bitten. Aber der geistige “ Nazi-Geiz “ lebt unter uns immer noch.
Grenzen dicht machen, geht uns nichts an. Das “ Aal-Prinzip “ gilt: durchwursteln, Probleme vermeiden, abschieben, an andere delegieren.
Wo landet unser Müll ? Warum muss in armen Ländern zu Hungerlöhnen für uns immer billiger produziert werden ?
Bert Brecht: Nur wer im Wohlstand lebt lebt angenehm angenehm.
Als ich 1991 mit einem Zweitstudium der Rabbath-Technik in Paris begann, da glaubte ich nicht daran, dass ich das lernen kann. Ich habe es einfach getan, die Antwort an das Ergebnis delegiert.
Und jetzt tue ich es wieder, eine neue Freundin im Geist, meine Betreuerin vom DRK Rhein Neckar macht mit: für die Flüchtlinge.
Wo das hinführt, ob das Sinn macht, das können wir erst später, mit Abstand sehen. Aber wir versuchen, wir suchen.
29. April 2016: Sieben Flüchtlinge aus der Breiten Seite Nummer drei konnten mit einem Bereitschaftsbus des DRK Rhein Neckar zum Galakonzert in die Bergkirche gebracht werden.
Abdularahman klärte mich in der Pause auf: “ So etwas habe ich noch nie gehört „. Michael Schneider hat ihm in der Aufregung verschwiegen, dass es der vollen Kirche an diesem Abend genauso erging.
( Dorle Ferber und Paulina Tyszka waren die beiden Sängerinnen, die mit ihrer musikalischen Solidarität eine Kraft verströmten, die ich, Michael Schneider in 35 Jahren am Theater und Orchester Heidelberg und auch anderswo so nie erlebt habe).
Am 5. Mai 2016 um 20 Uhr kommt die Retourkutsche: arkestra convolt kommt in die Breite Seite Nummer drei und bietet fünfhundert Flüchtlingen Musik an, die sie noch nie gehört haben. Ob sie das dann hören möchten ? Que serra ? Whatever will be ?!?!?!?!?!?
Sie haben fleissig meine Berichte verfolgt? Dann wissen und kennen Sie meine Fisch-Schwarm Gedanken.
Oder denken Sie an den Hundertjährigen der aus dem Fenster stieg und verschwand. Ein sich immer wiederholender Satz war: “ Es kommt wie es kommt und so kommt es dann auch „.

Recep Tayyip Erdoğan dreht durch wenn er Crystal Schüttler und Michael Schneider in einer Tanz-Cello Impro erleben würde. Ihm bliebe nur noch wie Rumpelstilzchen : im Boden versinken. Zu erleben am 25. Juni 2016 um 21 Uhr.

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Der Zorn des Recep Tayyip Erdoğan ist so gewaltig wie die Wut von Rumpelstilzchen. Wenn die Wut so gross ist, dann spielt sie schon keine Rolle mehr und “ Erdowie, Erdowo, Erdogan “ auch nicht mehr.
Also leben wir die Freiheit der Kunst: Im “ Semilla “ Tanzstudio Schönborner Strasse 8, 69242 Rettigheim am 25. Juni 2016 um 21 Uhr.
Gemeinsam mit arkestra convolt zersägt Michael Schneider an diesem Abend sein Cello – virtuell: gegen Unterdrückung, Völkermord – für die Integration von Flüchtlingen: aktiv, nicht mit Worten.
In Zusammenarbeit mit dem DRK Rhein Neckar bemüht Michael Schneider sich um aktive Integration von Flüchtlingen in eine Kultur der Gemeinsamkeit und eines suchenden Konsens.
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