Neue Musik von Bach bis Cage: Dieses Alphabet ist nicht sehr lang. Aber zwei Buchstaben reichen für ein Universum. Das Konzert ist Pauline Oliveros gewidmet. Freitag, den 24.2.2017 um 20 Uhr. Evangelische Bergkirche Schlierbach.

Johann Sebastian Bach die zweite Suite für Cello in d-moll. Soweit bekannt. Unbekannt ist das Ergebnis am kommenden Freitag, denn Paulina Tyszka ergänzt und erweitert mit ihren Gesangsimprovisationen das akustische Spektrum der Zuhörer. Die Klangkünstlerin Monika Golla hilft dann fleissig mit, “ Bach “ auseinander zu nehmen, ihre Rolle dabei ist die Büchse der Pandora. Wenn Sie damit nicht gleich etwas anfangen können dann lassen Sie sich überraschen. Unsere neue Sicht auf Bach stellt an diesem Abend nicht die Musik des Meisters infrage. Wir laden die Zuhörer ein, an unserer Spiel- und Experimentierfreude teilzunehmen.

Vor genau 25 komponierte John Cage das 6. seiner Zahlenstücke ( number pieces ) “ Four6 “ und schenkte es Pauline Oliveros zum Geburtstag. Pauline starb Ende letzten Jahres. Ihr widmen wir diesen Abend für Neue Musik.
Der vierte im Bunde ist Claus Rosenfelder mit seinem Saxophon.
Four6 ist ein Stück ohne Noten. Es gibt nur eine Zeitpartitur, die angibt, wann und wie lange jeder Spieler eines der von ihm selbst ausgesuchten Motive spielt. Die Wirkung auf die Zuhörer ist frappierend: Komponiert ? Improvisiert ? Eine Ordnung ist erkennbar, auch wenn das Ohr dieses scheinbare Durcheinander nicht gleich sortieren kann. Oder kommt der Verstand erst einmal nicht mit ? Streng und doch verspielt, geordnet und doch durcheinander scheint die Ordnung, die in den Zahlenstücken eindeutig nur an der Stoppuhr erkennbar scheint.

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RabbathTechnik – leicht und billig wie im Supermarkt ? Bei Michael Schneider gibt es das fast umsonst. Aber für Interessierte übernimmt er das Üben noch nicht. Warum sollten die Bassisten des Philharmonischen Orchesters Heidelberg diese Technik lernen?

Leicht – das ist die Rabbath Technik wenn man sie kann.
Das hat schon Karl Valentin erkannt: „ Wenn man es kann, dann ist es ja keine Kunst mehr. „
Diese Erkenntnis gilt auch für die dafür notwendige richtige Einrichtung des Instruments.
Flache Saitenlage mit entsprechend flacher Krümmung des Griffbrettes, weil mit der Rabbath Technik nicht mehr gearbeitet, bzw. gedrückt wird. Also kann man sich eine hohe Saitenlage ersparen. Wenn der Weg zwischen Saite und Griffbrett nicht weit ist, dann spart dies enorm Zeit. Denn beim Verlassen der Saite folgt sie dem Finger nicht so weit nach. Ich bin also im Umkehrschluss auch schneller auf dem Griffbrett als bei einer hohen, höheren Saitenlage.
Ausserdem klingt jede Saite viel schöner, wenn sie nicht zu sehr eingeknickt werden muss.

Dies alles war so bei meinem wunderbaren Fünfsaiter entsprechend eingerichtet, den der damalige Solobassist der Berliner Philharmoniker in den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts seinem Sohn gekauft hat.
Nun war in den letzten Jahren bekannt, dass Michael Schneider einiges ganz anders macht als der deutsche Mainstream. Das Philharmonische Orchester Heidelberg hat diesen Bass nach meinem Ausscheiden vor einem Jahr gekauft.
Alles neu macht er Mai: neues Griffbrett, hohe Saitenlage, andere Saiten, anderer Saitenhalter, anderer Stachel und wer weiss was noch alles verändert wurde.
Ergebnis: niemand hat mehr Lust, auf diesem Bass zu spielen. Er klingt spröde und kratzig, antwortet nicht mehr auf Fragen. ( Das heisst auf Deutsch: es braucht viel Kraft bevor die Saite anspricht ). Die hohe Saitenlage tut ein Übriges, erfordert einen erhöhten Kraftaufwand.

Daraus folgt für Michael Schneider:
Die Rabbath Technik ist auch eine musikalische Überlebensphilosophie.
Will ich arbeiten wenn ich Musik machen will ?
Will ich mit Kraft spielen ?
Will ich einen kratzigen Ansatzton ?
Betrachte ich das Instrument als Bodybuilding Element, weil ich ja auf „ Arbeit „ bin?

Michael Schneider hat noch nie in seinem Leben gearbeitet.
Besser formuliert: nicht arbeiten wollen .
Ergo war ich immer auf der Suche nach Erleichterung, Verbesserung sowie Veränderung.
Diese Lebenseinstellung öffnet viele Sinne für neue Varianten gegen das Alte, das Starre und in der Musik Überkommene.
Kein Geiger würde auf einer Geige spielen, die soviel Widerstand bietet wie viele Saiten auf den Kontrabässen, die dann auch noch mit viel zu hoher Saitenlage eingerichtet sind.

Sommer 2016 nach einem Konzert in Berlin. Michael Schneider hat Bach auf dem Cello gespielt. Eine Frau aus dem Publikum muss es mit erzählen: „ Ich habe noch nie gehört, dass ein Cello so weich klingen kann.“

Das allgemeine menschliche Problem mit der Rabbath Technik ist, dass jemand sich infrage stellen muss, ob das bisher Gelernte das Optimum des Möglichen war. Oder ob er, um neue Kontinente zu entdecken, den alten aus den Augen verlieren muss.
Die Geschichte aus der Bibel mit dem Nadelöhr, die ist wohl noch bekannt. Warum sollte ein gestandener Bassist durchs Nadelöhr gehen, der doch mit Franz Simandl sehr gut versorgt wurde ?